Wie fühlt sich Glaube an? Was ist Glaube? Das ist für diese Zeit eigentlich kein Thema, weil der menschliche Verstand überbewertet wird. Denn zur Beantwortung dieser Frage muss man sich auf das Gebiet des rein subjektiven Empfindens begeben. Hier geht es um Gefühle. Und Gefühle werden allgemein mit Misstrauen bedacht. Das mag zum Teil berechtigt sein, aber im Glauben, der ja eine ganz persönliche Erfahrung mit Gott ist, versagt der reine Verstand. Warum? Weil Gott und Glaube nicht mit dem Verstand zu fassen sind. Hier spielen Einsichten, Erfahrungen, Gefühle und Verstand zusammen.
Der menschliche Verstand kann analytisch-logisch denken bis zum letzten Atom. Aber er ist eben nicht in der Lage, hinter die Erscheinungen zu blicken. Das kann nur der Glaube! Der Verstand allein kann Gott nicht wahrnehmen!
Der menschliche Verstand ist eigentlich immer überbewertet worden. In Frankreich wurde der Vernunft in Paris ein Altar geweiht. So hoch achtet man die Vernunft! Sie wurde unter Robbespierre als Gottheit verehrt. Man stellte sie mit der Zeit über das Gewissen und seine moralischen Werte. Anstatt dem Gewissen zu dienen, schwang sich der Verstand zum Herrscher auf. So wurde der reine Verstand seines einzigen Korrektivs beraubt. Nichts kontrollierte ihn noch. Und was danach geschah, wissen wir auch: Das Ganze endete in einer blutigen Orgie, und der Priester der Vernunft verlor seinen Kopf.
Und da man sich auch von Gott abgewandt hatte, gab es niemanden, der dem Unglück Einhalt gebieten konnte. Man hat vergessen, dass der menschliche Verstand Leitsterne braucht; er braucht Orientierung, um nicht in die Sinnlosigkeit abzuirren. Orientierung aber bietet das Gewissen, das der Mensch von Gott bekommen hat. Im Gewissen begegnet man Gott. Hier spricht seine leise Stimme.
Jeder Mensch scheint, wenn er glaubt, seine individuelle Glaubenswahrnehmung zu haben. Paulus schrieb, dass „jedem ein bestimmtes Maß des Glaubens zugeteilt wird“. In diese individuelle Glaubenswahrnehmung kann niemand hineinsehen. Hier wirkt der Geist Gottes, wie er will! Deshalb hat hier der reine Verstand seine Berechtigung als alleiniger Maßstab verloren.
Die ganze Philosophie der Menschheit ist ungeheuer umfangreich! Aber versucht man, eine Summe zu ziehen, dann bleibt nur übrig, was wir schon immer wussten. Und was dann noch übrig ist, geht mit Null auf.
Der Mensch hat sich viel mit sich selbst beschäftigt und alles zu Staub zerdacht. Er hat gewaltige Bibliotheken voll geschrieben und ist doch nicht über sich selbst hinausgekommen. Er hat kein wesentliches Problem gelöst, sondern immer neue geschaffen. Er hat sich unermüdlich im engen Kreis seines Ichs gedreht und kam doch nicht weiter, als seine Vorväter. Die Frage nach dem menschlichen Glück hat er dabei nicht beantwortet. Was hat die Philosophie gebracht? Ich könnte hier mit einem Zitat von Bert Brecht antworten: „Von den Köpfen der Philosophen ernähren sich allenfalls die Läuse.“ Warum? Weil alle Philosophie in Sophistik endet. In der Sophistik wird so lange argumentiert (es ist eigentlich Spiegelfechterei), bis jeder auf seine Weise Recht hat. So jedenfalls stellte sich mir in meinen jungen Jahren die ganze Sache dar. Und noch etwas fiel mir immer wieder auf: Ich habe keinen glücklichen Philosophen kennen gelernt. Aber vielleicht gab es ja einige. Aber in der Summe ist die Menschheit durch ihre Philosophie nicht besser oder glücklicher geworden. Liegt das an der Philosophie oder an denen, die sie betreiben?
Die einzige Erweiterung des menschlichen Horizonts bringt am ehesten die ehrliche, aufrichtige Gottverbundenheit! Ohne Gottverbundenheit wird sich alles weiter sinnlos im Kreis drehen.
Die Bibel sagt mir, dass meine Erkenntnisfähigkeit begrenzt ist: „Jetzt sehen wir wie in einem blank polierten Stück Metall nur rätselhafte Umrise, …“. Oder im Buch Hiob, wo es heißt: „Nur ein Flüstern hören wir von den Säumen seiner [Gottes] Wege. Und wer kann den Donner seiner Macht verstehen?“ Und so geht es weiter: Immer wieder weist die Bibel auf die Tatsache hin, dass unser Verstand Grenzen hat.
Der Verstand will alles verstehen und begreift sich selber nicht. Er will alles erklären – und ist doch begrenzt. Er versucht das Meer des Wissens in Gefäße zu füllen, die viel zu klein sind. Er will alles handlich machen und zerstört es dabei. Er arbeitet mit Begriffen, die er selbst bildet. Und was dabei herauskommt ist oft nur ein Stammeln. Es ist oft nur ein Schattenfangen, ein Spiel am Rande der Wirklichkeit. Vieles entzieht sich enfach dem Verständnis, weil der Verstand seine Grenzen hat. Es ist eine uralte Weisheit, wenn es im Buch Prediger heißt: „Alles hat er schön gemacht zu seiner Zeit. Auch die Ewigkeit hat er den Menschen ins Herz gelegt. Aber das Werk Gottes vom Anfang bis zum Ende kann ein Mensch nicht begreifen.“. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Wenn mir der Verstand klar sagen könnte, was Liebe ist, würde ich ihm schon mehr zutrauen. Aber alle Erklärungen des Verstandes kommen mir armselig vor. Und trotzdem habe ich eine gute Vorstellung von LIEBE: Ein großes Gefühl, eine gewaltige Macht, der Weg zum Glück, der Lebenssinn des Menschen, seine Erfüllung! Und gerade hier hat der reine Verstand versagt, weil er nicht in der Lage ist, wozu die einfachsten Menschen in der Lage sind: Gott zu sehen und seine Liebe zu spüren.
Glaube erfährt man
Glaube fühlt und erfährt man; man „versteht“ ihn nicht. „Der Wind weht, wo er will. Du hörst ihn zwar, aber du kannst nicht sagen, woher er kommt und wohin er geht. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren wird.“ (Joh. 3:8) So soll alles, was ich jetzt schreibe, die eigene Wahrnehmung dessen sein, was man Glaube nennt.
Ich möchte betonen, dass ich auch den Gegensatz zum Glauben kannte: Das Verlassensein. Ich weiß heute also genau, worüber ich schreibe.
Ich wünschte mir dieses Christsein:
Als Jesus seinen Nachfolgern befahl, einander zu lieben, dachte er an die Siegesmacht, die diese Welt besiegt: Nach seinem Vorbild zu lieben heißt, nach dem Willen Gottes zu leben. Die Liebe ist der wahre Kern des Menschen, und nach ihr zu leben ist seine Bestimmung. Zu diesem Leben ist der Mensch geschaffen und dafür ausgerüstet worden! Wer nach dieser Liebe lebt, ist der wahre Mensch!
Ich wünsche mir ein Christsein, das weder Tränen noch Schmerz verursacht, das in heiliger Verantwortung das Wohl und das Glück des Mitmenschen zum Ziel hat. Die Frucht dieses Lebens soll Gerechtigkeit, Frieden und Wahrhaftigkeit sein. Es soll ein Leben sein, das den Schöpfer ehrt und nicht von Habgier und Stolz geprägt ist, sondern von Barmherzigkeit und Mitgefühl für den anderen.
Dieses Christsein ist in dieser Welt nicht wirklich heimisch. Es ist immer nur von einigen, wenigen Menschen gelebt worden, denn diese Welt wird nicht vom Licht, sondern von der Finsternis beherrscht. Diese Finsternis sah für mich in der Jugend so aus: Ich hatte das Gefühl, in schwarzer Nacht unter einem leeren Himmel im offenen Meer auf einer Eisscholle zu treiben. So haben mich meine eigenen Erfahrungen und die vielen anderer Menschen geprägt. Ich habe, obwohl ich in einer großen Familie wie in einer Burg beschützt war, in den Abgrund des Lebens geschaut. Die furchtbaren Leiden anderer Menschen an der Zeit und am Leben waren mir vertraut. Ich weiß also, was es bedeutet, ohne Gott in dieser Welt zu leben.
Benötigt der Glaube eine ausgefeilte Theologie?
„In derselben Stunde wurde Jesus von der Freude des heiligen Geistes erfüllt und rief: ’Vater, du Herr über Himmel und Erde, ich preise dich, dass du alles den Klugen und Gelehrten verborgen hast, aber den Unmündigen offenbar gemacht hast. Ja, Vater, so hast du es gewollt.“ (Joh. 10:21)
Jesus sprach es aus: Gottes Weisheit ist den sogenannt Klugen und Intellektuellen verborgen! Aber warum? Die Antwort ist einfach: Weil Gott selbst seine Kinder sucht; er gestattet ihnen die Nähe zu sich. Er gibt den Glauben den „Unmündigen“. Das sind jene Menschen, die von den „Klugen“ als unmündig angesehen werden. Das sind die, die in den Augen der Einflussreichen nichts gelten.
Ich möchte zu den Unmündigen gehören und mit Herz und Sinn verstehen, was Glaube eigentlich ist! Ich will die vielwissende Dummheit nicht, die nur für Diskussionen taugt, aber nicht für das wirkliche Leben. Ich will die endlosen theologischen Diskussionen nicht, die viel zu oft nur dazu geführt haben, Menschen voneinander zu trennen. Es ist doch eine nicht zu leugnende Tatsache, dass die religiöse Welt der Christenheit völlig zerstritten ist, obwohl alle behaupten, demselben Gott zu dienen. Und die anderen Religionen bieten auch kein besseres Bild. (In der Vergangenheit habe ich Diskussionen bis zum Überdruss kennengelernt. Wenn es um biblische Themen ging, wurde immer das „Schatzkästlein der biblischen Erkenntnis“ ausgeleert und Eindruck erzeugt. „Welch eine Erkenntnis! Welch ein Glaube!“, so sagte man. Aber es waren ja nur Worte! Es war ja nur Diskussion und Streit um „den rechten Glauben“.)
Wie viele Theologien gibt es? Und es gibt nur einen Gott? Ja, aber tausende Theologien, d. h. Theorien über Gott und seinen Willen. Wer bei diesen Tatbeständen keine Zweifel bekommt, hat nicht verstanden, was Glaube an Gott bedeutet; er verwechselt Glauben mit Glaubensbekenntnis. Ein Bekenntnis ist zuerst ein Bekenntnis zur Kirche und nicht unbedingt zu Gott. Glaube an Gott ist das tiefe Vertrauen zu ihm. Vertrauen kann man nur jemanden, den man kennt. Und Gott kann erkannt werden durch Jesus Christus (Joh. 14:6, 7). Es gibt also nur eine Quelle, die zuverlässig über Gott Auskunft geben kann: Jesus Christus, der als „das Wort Gottes“ auch die Bibel inspiriert hat. Und dann gibt es angeblich so viele sich widersprechende Ansichten über Gott? Das kann nur dann möglich sein, wenn man Religion mit Bindung an Gott verwechselt. Religion meint zuerst immer die Bindung an eine Kirche, nicht die Bindung an Gott.
Kritiker werfen den Kirchen immer wieder vor, die Gläubigen zu bevormunden, zu beherrschen und auszubeuten. So wurde ein Kirchenvolk herangebildet, das nicht in der Lage ist, Glauben an Gott auszuleben. Denn wir vergessen nicht die unheilvolle Rolle der Kirchen in Kriegen und Ketzerverfolgungen. Aber das alles wird durch „Theologie“ sanktioniert! Für jedes Verbrechen gab es eine „Erklärung“, eine Theologie der Rechtfertigung!
Wie wohltuend anders sind im Gegensatz dazu solche Menschen, die durch Liebe das Herz des Glaubens stärken, die das Herz füllen und nicht nur den Kopf. Dazu hat es nie der Büchergelehrsamkeit bedurft, sondern einfach nur der Liebe und des Geistes Gottes. Denn erst jenseits der hoch gelobten Gelehrsamkeit beginnt das klare, schlichte Wort Gottes zu wirken, um zu zeigen, dass die „Weisheit der Weisen“ eigentlich Dummheit ist, weil sie unfruchtbar bleibt. Denn alles, was ein Mensch aus der Bibel wissen kann, bekommt nur dann Leben eingehaucht und wird nur dann zur Liebestat, wenn es vom Geist Gottes befruchtet wird! Und nur darauf kommt es an. Oder habe ich Micha 6:8 falsch verstanden?
„Er hat dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Jehowah von dir erwartet: Du musst nur das Rechte tun, anderen mit Güte begegnen und einsichtig gehen mit deinem Gott.“