Gedanken zur Bergpredigt: Die innere Wahrhaftigkeit

In seiner Bergpredigt weist Jesus bei verschiedenen Gelegenheiten darauf hin, dass “der Vater, der im Verborgenen zusieht” alles wahrnimmt. Er nimmt es wahr, wenn Begierden aufwachsen, die zum Ehebruch führen können (Mat. 5:28), er bemerkt es, wenn Habgier vom Menschen Besitz ergreift, er bemerkt es wie ich über andere denke und er hört meine gedankenlosen Worte, die ich mit einem überflüssigen Eid bekräftigen will, weil ich nicht ganz die Wahrheit gesagt habe (Mat. 5:33-38). Und Gott hört, wie ich zu ihm bete. Er verabscheut überflüssige, leere Formeln und ständige Wiederholungen (Mat. 6:7), denn er will das ehrliche Herz und kein Theater. Das wird von vielen gläubigen Menschen als Tatsache gedeutet, aber wie ernst ist es ihnen damit? Bei den Moslems habe ich beobachtet, dass sie Allah absichtlich täuschen, wenn sie Alkohol trinken, indem sie ein Tuch über das Glas legen und meinen, dass Allah den Wein nicht sehen könne. Kindisch? Gewiss, aber wie viele angebliche Christen handeln im übertragenen Sinn ebenso? Wie viele Vaterunser muss man als Katholik beten, damit Gott hört? Wie oft muss ein Tibeter die Gebetstrommel kreisen lassen, um erhört zu werden? Ihnen allen müsste man bescheinigen, dass sie Gott gar nicht kennen: “Beim Beten sollt ihr nicht plappern wie die Menschen, die Gott nicht kennen. Sie denken, dass sie erhört werden, wenn sie viele Worte machen. Macht es nicht wie sie! Denn euer Vater weiß ja, was ihr braucht, noch bevor ihr ihn bittet.” (Mat. 6:7, 8)

Ich kann den 139. Psalm nicht ignorieren, wo David seine Erfahrung mit Gott beschrieb:
“Jehowah, du hast mich erforscht und erkannt. Ob ich sitze oder stehe, du weißt es, du kennst meine Gedanken von fern. Ob ich ruhe oder gehe, du prüfst es, mit all meinen Wegen bist du vertraut. Noch ehe das Wort auf meine Zunge kommt, hast du es schon gehört, Jehowah. Von allen Seiten umschließt du mich, ich bin ganz in deiner Hand. Das ist zu wunderbar für mich zu begreifen, zu hoch, dass ich es verstehe!”

Wie ist es, wenn man schlechte Gedanken hat? Wie ist es, wenn man weiß, dass Gott meine Gedanken auch wahrnimmt? Was fühlt man, wenn einem bewusst wird, dass man für Gott ein offenes Buch ist? Ist es mir bewusst, wie mein Vater im Himmel über meine schlechten Gedanken urteilen kann? Es muss ihn doch berühren, es kann ihm doch nicht gleichgültig sein, was ich denke? Das waren die Fragen, die mich beschäftigt haben. Und ich habe überlegt, wie ich damit umgehen kann.

Zuerst einmal ist es mir peinlich, wenn ich schlechte Gedanken habe. Es ist mir so peinlich, als wenn ich mich in Gesellschaft schlecht benehmen würde. Vor den Menschen kann ich meine Gedanken verbergen, aber vor meinem Vater im Himmel nicht. Ich empfinde Scham, wenn ich mich dabei ertappe, unrechte Gedanken zu haben. Im Gebet suche ich dann Vergebung und bemerke dabei, dass mit meiner Scham auch der bessere Mensch beginnt, dass dann der Mensch in mir zum Vorschein kommt, der ich eigentlich sein möchte.

Aus dem 15. Psalm weiß ich, dass Gott jene Menschen bei sich wohnen lässt, “die durch und durch wahrhaftig sind”. Nur diese Menschen dürfen in seine Nähe kommen. Ohne innere Wahrhaftigkeit kann ich vor Gott nicht bestehen! Denn ohne sie sieht man sich falsch, wird stolz und heuchlerisch. Ein gutes Verhältnis zu Gott ist für mich nur auf dieser Grundlage möglich, denn ohne Wahrhaftigkeit kann ich dem “Gott der Wahrheit” nicht begegnen.

Ohne diese innere Wahrhaftigkeit kann ich vor Gott nicht bestehen. Das war eine ganz nüchterne Einsicht, fast wie ein physikalisches Gesetz. Und ich will mich bemühen, immer daran zu denken. Damit dieser Wille dann auch zur Wirklichkeit in mir selbst wird, will ich meinen Vater um seinen Geist bitten, sonst bleibt es nur beim Wünschen.

Zu dieser Wahrhaftigkeit gehört zuerst die nüchterne Sicht auf sich selbst. Leider neigen wir immer dazu, die eigene Person großzügig zu behandeln. Für uns finden wir oft genug mildernde Umstände, während wir sie für andere nicht so leicht gelten lassen. Wir sehen zuerst den Balken im Auge des Anderen. In diesem Kontext ist es für mich eine große Hilfe, mich im Spiegel der Bibel zu erkennen. So will ich mich daran gewöhnen, mich von Gottes Wort zurechtweisen zu lassen. Ich beziehe die Bitten aus Psalm 19:14, 15 auf mich:
“Und halte mich vor dem Hochmut zurück, dass er nie über mich herrscht! Dann stehe ich ohne Tadel da und werde vor großem Unrecht bewahrt. Mögen die Worte, die ich sage, und die Gedanken, die ich fasse, dir gefallen, Jehowah, mein Fels und mein Erlöser.”

Am Schluss muss ich noch betonen, dass ich dieses große Ziel noch ncht erreicht habe. Aber es macht mir Freude es zu erreichen.

Veröffentlicht von Tilo

Ein alter Mann, der lange Zeit ein Zeuge Jehovas war und dieser Kirche aus Gewissensgründen den Rücken kehrte. Heute stehe ich allen Kirchen misstrauisch gegenüber, denn glauben kann man nur allein. (amenuensor@aol.com)

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