Gedanken zur Bergpredigt: Wahre und falsche Frömmigkeit

Auch das hat mit innerer Wahrhaftigkeit zu tun. Jesus stellte in seiner Bergpredigt die falsche Frömmigkeit bloß:
“Hütet euch, eure Frömmigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen. Sonst könnt ihr keinen Lohn vom Vater im Himmel erwarten. Wenn du zum Beispiel den Armen etwas gibst, dann lass es nicht vor dir her ausposaunen, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, um von den Leuten geehrt zu werden. Ich versichere euch: Diese Ehrung ist dann schon ihr ganzer Lohn. Wenn du den Armen etwas gibst, dann soll deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, damit deine Mildtätigkeit im Verborgenen bleibt. Dann wird dein Vater, der ins Verborgene sieht, dich belohnen.” (Mat. 6:1-4)

Wie oft habe ich mich dabei beobachtet, dass ich gute Taten an die große Glocke hing? Wenn es auch unterschwellig war, z. B. als “Erfahrung” verpackt, war es doch peinlich. Auch hier musste ich mich disziplinieren und mich zurechtweisen lassen. Und wenn ich darüber nachdenke, warum ich zur Heuchelei bereit war, dann war es wieder die alte Schwäche: Ich wollte etwas sein, ich wollte Anerkennung und Beachtung. Und das wollte ich von Menschen und nicht von Gott! Dabei übersah ich, dass Heuchelei, und das ist ja die Zurschaustellung der eigenen Leistung, ein dreister Betrug an Gott ist! Denn für gute Taten muss man allein Gott die Ehre geben. Und nur indem ich mir das bewusst mache, gelingt es mir besser, in dieser Hinsicht anders zu werden, denn einer Änderung zum Guten müssen Einsichten vorausgehen.

Durch einen veräußerlichten Religionsbetrieb kann man leicht dazu verleitet werden, verurteilend und verdammend über andere Menschen zu denken. Manche Religionsgemeinschaften züchten geradezu ein Elitedenken, das dazu führt, auf andere herabzusehen und sie zu verurteilen, weil sie bestimmte Dinge anders sehen. Sieht man genauer hin, dann geht es um Interpretationen und nicht um Rechtschaffenheit. Kürzlich traf ich auf einen alten Mann, der einer Sekte angehört. Er hatte ein hartes Urteil über die “Katholiken”. Er schimpfte unentwegt, warf ihnen alles Mögliche vor und strich seine eigene Gemeinschaft als gut und edel heraus. Als ich ihn darauf hinwies, dass die gleichen Dinge auch in seiner Gemeinschaft berichtet worden sind, brach er das Gespräch mit der Bemerkung ab, dass er “keine Perlen vor die Säue werfen” wolle. Ich erwähne dieses Gespräch, weil ich die Grundzüge dieses Verhaltens auch an mir in jungen Jahren beobachtet habe, wenn auch weniger heftig. Aber so war ich auch: Andere Menschen kritisieren und selbst auch nicht wesentlich besser sein. Was sagte Jesus dazu?

“Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn so wie ihr über andere urteilt, wird man auch euch beurteilen, und das Maß, mit dem ihr bei anderen messt, wird auch euch zugemessen werden.” (Mat. 7:1, 2)
Und dann erzählt Jesus ein Gleichnis, das die Unverschämtheit eines schnellen Urteils über andere ins rechte Licht rückt: Da sieht man den Splitter im Auge des anderen, bemerkt aber den Balken im eigenen Auge nicht. Und das zieht sich durch die ganze Predigt Jesu: Wie man über andere denkt, verrät viel über uns selbst!

Veröffentlicht von Tilo

Ein alter Mann, der lange Zeit ein Zeuge Jehovas war und dieser Kirche aus Gewissensgründen den Rücken kehrte. Heute stehe ich allen Kirchen misstrauisch gegenüber, denn glauben kann man nur allein. (amenuensor@aol.com)

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