“Wie glücklich sind die, die ein reines Herz haben.
Sie werden Gott sehen.”
( Mat. 5:8)
Das Zitat ist bekannt, es sind die Worte des Sohnes Gottes. Und es ist uns klar, was ein reines Herz ist: Es ist der innere Mensch, der frei von Falschheit ist. Und nur dieser Mensch wäre in der Lage Gott zu sehen. Im Kontext der Bibel heißt es, dass Gott sich diesem Menschen offenbaren wird und ihm Nähe gestattet.
Wenn ich über diese wichtigen Worte nachdenke, komme ich zu dem Schluss, dass sie der Schlüssel zum Glauben überhaupt sind, denn Gott macht deutlich, wer in seine Nähe kommen darf: Es ist der Mensch ohne Falschheit, ohne Lüge, ohne Heuchelei und Hintergedanken. Es ist der Mensch, der Gott fürchtet und achtet, der sein Moralgesetz im Innern trägt und es in seinem Leben halten will. Das ist der Mensch, der Gott über alles liebt! Diese Liebe hat nichts mit Gefühlsduselei zu tun, nichts mit religiöser Schwärmerei und Fanatismus. Es ist die Liebe, die sich im Umgang mit Gott und den Mitmenschen erfüllt. Nur solchen Menschen gestattet Gott die Nähe zu sich:
“Wer darf Gast in deinem Zelt sein? Wer darf wohnen auf deinem heiligen Berg?
Wer vorbildlich lebt und tut, was recht ist vor dir; wer durch und durch wahrhaftig ist.”
(Ps. 15:1, 2)
Und was in diesen beiden Versen des Psalms ausgedrückt wird, ist schlicht gesagt der Inhalt des Glaubens an Gott! Mir fällt auf, dass es nicht um eine theologische Definition geht, nicht um einen Ritus oder einer Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft. Es geht um das, was Jesus als die wahre Anbetung Gottes formulierte: Es ist das Leben mit Gott, der mit Geist und Wahrheit angebetet werden will (Joh. 4:23).
Das Problem mit der inneren Wahrhaftigkeit
“Diese Welt ist eine einzige Lüge! Fast jeder lügt! Überall wird gelogen und betrogen! Das war nie anders!”, so kann ein betroffener Zeitgenosse über diese Welt sprechen. Und er wird durch die eigene Erfahrung bestätigt; er wird durch die Geschichte bestätigt und durch viele, viele andere Menschen auch. Und mit seiner Feststellung sagt er ja nichts Neues, denn die Welt begann mit einer Lüge. Und Jesus hat den Teufel als Ursprung der Lüge und als ihren Vater bezeichnet (Joh. 8:44). Interessant und entlarvend an der ganzen Sache ist die Tatsache, dass jeder Mensch weiß, wann er belogen worden ist und wann er selbst gelogen hat. Gleichzeitig aber wird er sich laut über Lügner empören.
“Zu dieser Haltung tendieren wir alle mehr oder weniger”, dachte ich bei mir und hatte eines Tages kein gutes Gefühl mehr dabei. Aber wie ehrlich ist die Empörung über die Verlogenheit der Welt, wenn man selbst dabei mitmacht? Und wie sieht es Gott? “Ja, wie sieht es Gott?” Darüber musste ich nachdenken, denn eines war mir bewusst geworden: Ich bin für Gott ein offenes Buch, denn gemäß den eindrucksvollen Worten aus Psalm 139 gibt es vor Gottes Blick kein Entkommen.
Wie gehe ich damit um?
Ich erinnere mich an ein Schlüsselerlebnis, das ich vor über zwanzig Jahren hatte. Ich muss vorweg schicken, dass ich damals noch in einer religiösen Gemeinschaft war, in der ein stilles, aber deutliches Wetteifern als eine Art Sport betrieben wurde. Man erweckte mit Fleiß immer den Eindruck, im Glauben vorbildlich zu sein. Ja, ich kann es nicht anders sagen: Man stellte gewohnheitsmäßig die eigenen Vorzüge vor anderen Menschen heraus. Da wurde ich eines Tages gefragt, ob ich auch bei einer großen Veranstaltung gewesen sei und ob sie meinen Glauben gestärkt hätte. Ohne lange zu überlegen sagte ich laut “Ja!”. Im selben Moment wusste ich, dass ich nicht die Wahrheit gesagt hatte! Ich begann mich vor mir selbst zu schämen und stellte die Sache richtig. Es war nicht einfach, die langen und verständnisslosen Gesichter zu sehen. Aber diese Episode hatte ein Nachspiel: Ich ging mit mir ins Gericht; ich war Ankläger, Richter und Angeklagter in einer Person. Das Ergebnis dieses Gerichtsprozesses war der Entschluss, mit jeder Unaufrichtigkeit und Lüge aufzuhören. Ich wollte ein ehrlicher, authentischer Mensch werden. Denn ich meinte, es Gott schuldig zu sein. Im 51. Psalm lese ich: “Denn du hast Gefallen an Wahrhaftigkeit im geheimen Ich.” Dieses Wort begleitet mich bis heute.
Wie kommt man zur inneren Wahrhaftigkeit?
Ich ging also mit mir selbst ins Gericht. Daraus wurde ein langer Prozess, der bis heute im täglichen Leben stattfindet. Bei allen möglichen Gelegenheiten taucht immer wieder die Frage nach meiner Wahrhaftigkeit auf. Ich beobachte mich, ich prüfe mich, ich hinterfrage meine Motive und mein Verhalten. Am Grundsatz der göttlichen Forderung nach Wahrheitsliebe besteht kein Zweifel. Für mich kommt es besonders darauf an, zu bestimmten Einsichten zu kommen, zu Einsichten, die mich verändern.
Alles beginnt mit der Gottesfurcht
Gott sagt es uns in der Bibel und unser Gewissen sagt es auch: Alles beginnt mit der Gottesfurcht. Was verstehe ich darunter? Das ist für mich der tiefe Respekt vor meinem himmlischen Vater. Er hat ausdrücklich nichts mit Angst vor Strafe zu tun, sondern eher mit der Furcht, ihm durch mein Fehlverhalten weh zu tun und zu enttäuschen. Ich möchte mich daran gewöhnen zu mir zu sagen: “Das hat er nicht verdient!”, wenn mein Gewissen sich regt und mich warnt, wenn ich im Begriff bin, etwas Falsches zu tun. Aus Gottesfurcht richte ich an Gott immer wieder die Bitte, die auch der Psalmenschreiber äußerte:
“Schaffe mir, Gott, ein reines Herz, erneuere in mir einen festen Geist! Vertreib mich nicht aus deiner Nähe und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir!” (Ps. 51:12, 13)
Mit dieser Bitte möchte ich meine Abhängigkeit von meinem himmlischen Vater ausdrücken, denn ich bin mir sicher, dass ich nicht aus eigener Kraft ein besserer Mensch werde. Und um noch einmal auf das Lügen und Heucheln zurück zu kommen: Ein Christ braucht Mut! Er braucht Mut, um sich nicht zum Lügen und Täuschen durch andere Menschen verleiten zu lassen. Er muss den Mut haben, gegen die Gewohnheit der Massen der Wahrheit die Ehre zu geben. Er braucht Mut, um mit sich selbst aufrichtig und ehrlich umzugehen, denn ein Mensch ist leider geneigt, sich selbst und seinen Stolz zu schonen. Denselben Mut benötigt er auch, wenn es um das Bekenntnis zu Gott und seinem Sohn geht, um das Bekennen zur Gerechtigkeit und wenn es darum geht, die gottfeindliche Welt durch den eigenen Glauben zu besiegen. Feiglinge, so heißt es in der Offenbarung, werden im symbolischen Feuersee enden, das ist der zweite Tod, (Off. 21:8).
So, wie die Dinge liegen, kommt die Gottesfurcht aus dem persönlichen Erkennen Gottes. Nur ein Mensch, der Gott “gesehen” hat, wird den Mut aufbringen, sich streng an die Wahrheit zu halten. Von Glaubenshelden heißt es im Brief an die Hebräer, dass sie “standhaft blieben, als sähen sie den Unsichtbaren”. Aus dieser engen, persönlichen Beziehung zu Gott kommt dann auch die Verantwortung, die allein tragfähig ist, weil es eine Verantwortung vor der höchsten Instanz ist. Auch das hat mit Gottesfurcht zu tun.
Man kommt nur dadurch zur inneren Wahrhaftigkeit, indem man sich mit allen Konsequenzen die es nach sich ziehen mag, gegen die Lüge und für die Wahrheit entscheidet. Man muss gegen die Lüge und den Selbstbetrug kämpfen. “Ich will wahrhaftig sein!”, muss die Forderung an sich selbst sein. Und dafür darf ich um Gottes Hilfe bitten! Dann werde ich die Hilfe erleben. Dafür steht der Schöpfer mit seinem Wort ein.
Warum wird die Lüge von Gott so scharf verurteilt?
Ich hatte viel nachzudenken und war mir schnell im Klaren, dass Gott gute Gründe hat die Lüge und den notorischen Lügner strikt abzulehnen. Denn was bewirkt die Lüge alles? Sie ist die Verneinung der Moral und der Moralität ist. Die Lüge ist der Untergang der Anständigkeit, das Ende der Humanität und das Aus für die Liebe! Lüge ist Ungerechtigkeit. Lügen ist dasselbe und wie Betrügen. Heuchelei ist nur eine getarnte Form der Lüge. Die Lüge ist der Dolchstoß in das Herz des Vertrauens. Und Vertrauensverlust führt zum Zerfall der Gemeinschaft, auch zum Verlust Gottes! Darum kann ein Lügner nicht in die Nähe Gottes kommen. Und er wird auch nicht erwarten dürfen, Gottes Reich zu sehen. An keiner Stelle macht das Wort Gottes davon eine Ausnahme! Nicht einmal aus Angst zu lügen entschuldigt Gott! Er gewährt Vergebung nur dann, wenn der Lügner umkehrt und sich bemüht, die Wahrhaftigkeit zu leben. Für diese Behauptungen erübrigt es sich Bibelzitate anzuführen, denn jeder Mensch weiß darum. Für mich waren diese Einsichten wie Schlaglichter auf mein Problem.
Die allgemeine Lage: Die ganze Welt ist eine Lüge, durch und durch. Das Leben der Menschen ist in den meisten Fällen eine Lüge, und sie ahnen es und wollen es trotzdem nicht wahrhaben. Sie tun alles, um dieser furchtbaren Ahnung zu entkommen. Sie bilden sich ein, am Ende doch noch “erlöst” zu werden. Das scheint das Kerngeschäft der Religionen und Ideologien zu sein, die Menschen in diesem Aberglauben zu bestätigen. Mich hat diese Einsicht dazu bewegt, mich von verlogenen Menschen zu trennen, auch von meiner Religionsgemeinschaft, obwohl ich über Einzelne nicht urteilen kann. Aber der “Betrieb” war verlogen und heuchlerisch.
Ein eigenartiges Phänomen
In den Sprüchen Salomos (17:4) findet sich der Satz: “Ein Bösewicht hört auf böse Reden, ein Lügner schenkt dem Verleumder Gehör.” Wie verstehe ich das? Verursacht das Lügen einen Realitätsverlust? Wird man Opfer der eigenen, unrechten Wünsche, weil der Verleumder die geheimen Wünsche seines Opfers kennt und er sie durch Lügen befriedigen will? Oder hat man vergessen, was Lüge und Wahrheit ist? Ist es also wieder einmal der Mangel an innerer Wahrhaftigkeit? Ist es die eigene innere Unaufrichtigkeit, die dem Verleumder Gehör schenkt? Mit solchen Fragen musste ich mich auseinandersetzen.
Jedenfalls lässt der Spruch darauf schließen, dass Opfer und Täter austauschbar sind, weil beide der Lüge zuneigen – oder dem Selbstbetrug. Der Selbstbetrug scheint besonders auf religiösem Gebiet mächtig zu sein, wenn falsche Hoffnungen und angebliche Gewissheiten ins Spiel kommen, wenn das Herz (der innere Mensch) den bequemen oder leichten Weg im Glauben sucht und man sich einbildet, dass der barmherzige Gott beide Augen zudrückt und alles durchgehen läßt, weil ja die Liebe angeblich alles verzeiht. Aber auch diese Ansicht ist eine Lüge, mit der man sich selbst betrügt. Die Israeliten haben es durch ihre schlimme Geschichte bewiesen: Im 73. Psalm werden Gottlose geschildert: Sie tragen ihren Stolz wie eine schöne Kette, Gewalt umhüllt sie wie ein Gewand, Einbildungen überfluten ihr Herz, sie reden boshaft und höhnisch und reißen ihren Mund weit auf und mit ihrem Geschrei verschonen sie nichts auf der Erde. Und weil sie so imposant auftreten, passiert dies:
“Darum läuft selbst Gottes Volk ihnen nach und lauscht begierig auf ihr Geschwätz. ‘Gott merkt ja doch nichts’, sagen sie. ‘Wie will der Höchste das wissen?’ Ja, das sind die die Gott verachten, ungestört mehren sie ihre Macht.” (Verse 6-12)
Ich will den geraden Weg gehen
“Jeder Mensch ist ein Lügner”, so nüchtern sagt es die Bibel. Ja, wir sind dazu geworden; am Anfang war es nicht so, aber durch die Entfremdung von Gott wurde die Welt so. Der Weg zurück ist offen. Jesus hat diesen Weg geöffnet und alle seine Jünger sind eingeladen, diesen Weg zu gehen. Ich will ihn gerne gehen und ich will den Kampf gegen die satanische Welt und gegen mich führen. Darum wird mein Gerichtsprozess noch andauern, denn ich bin noch nicht am Ziel. Das Leben ist kompliziert und überfordert mich. Trotzdem ist die Auseinandersetzung mit der Lüge meine Pflicht. So wird es also noch viel zu lernen geben, aber ich habe keine Angst davor. Das ist deshalb so, weil ich die Hilfe und die Begleitung durch Jesus Christus habe. Dazu habe ich das wunderbare Licht aus dem Wort Gottes, das meinen Weg beleuchtet, und ich habe mein Gewissen als Kompass. Darum kann ich mein Ziel erreichen!
Ich habe diese Gedanken für mich aufgeschrieben, und das mit dem Ziel, mir wichtige Dinge wirklich deutlich zu machen und nicht oberflächlich über das Problem hinweg zu huschen. Vor meinem Gericht stehe ich ganz allein, d. h. dass ich nicht über andere Menschen urteilen kann und soll, denn der Prozess gilt nur mir.
Zum Schluss fällt mir noch der Ausruf des Petrus ein: “Geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch!” Das sagte er zu Jesus Christus, nachdem er Zeuge eines Wunders geworden war. So ähnlich empfinde ich, wenn ich auf Gott schaue und daran denken muss, was ich auch bin. Seine großartige Barmherzigkeit lässt mich leben und hoffen! Seine Demut macht auch mich groß (Ps. 18:36)!