(Wie kommt es zu den Nachtgedanken? Bei einem alten Mann wird der Schlaf leicht und flüchtig wie ein ängstlicher Vogel. So wacht er oft nach ein paar Stunden Schlaf wieder auf und setzt die Gedanken fort, mit denen er sich schlafen gelegt hatte. Und manchmal setzt er sich an den Tisch und schreibt sie auf. Meist hilft ihm ein Glas Wein dabei wieder müde zu werden während er schreibt. Und er hofft, dass irgendwo weit draußen in der Welt auch ein Mensch nicht schlafen kann und ähnliche Gedanken hat.)
“Es ist leider Krieg – und ich begehre nicht schuld daran zu sein!”
(Matthias Claudius)
24. Februar 2022
Seit heute Nacht ist Krieg in Europa. Befürchtet war er schon länger, und man beschwichtigte sich selbst mit dem Vertrauen auf Vernunft, Menschlichkeit und Anständigkeit. Man hielt die Kriegsvorbereitungen für ein diplomatisches Spiel, in dem sich alle Beteiligten doch am Schluss einigen könnten. So hoffte man. Aber dazu kam es nicht. Jetzt wird geschossen und gebombt. Jetzt sterben auch hier Menschen, wie an vielen Orten dieser Welt.
Was aus den Versen von Matthias Claudius spricht, ist schon lange vorbei. Claudius war noch ein Mensch, der den Jammer des Krieges mitfühlte und sich selbst in gewisser Weise schuldig wähnte. Er kannte noch die Verantwortung des Menschen vor Gott, hatte aber auch das Gefühl einer Mitschuld, obwohl er den Krieg nicht wollte und ihn verabscheute.
MIr geht es auch so, denn ich bin z. B. als Steuerzahler mit eingebunden in das schreckliche Geschehen. Auch mit meinem Geld wird Kriegsgerät gekauft und ein Krieg finanziert. Auch durch meine Teilnahme am weltweiten Warenaustausch bin ich Teil des globalen Geschehens. Aber ich kann nicht heraus. Ich kann mich ebenso wenig heraushalten, wie Matthias Claudius.
Ich kann nur seufzen und sagen: “Es ist leider Krieg – und ich begehre nicht Schuld daran zu sein!” Und mit Blick auf jene, die tatsächlich Schuld daran sind, die diesen “Krieg als Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mittel” betrachten, kann ich nur wünschen, dass Gott dieses Verbrechen nie vergessen wird!
Nun ist es ja Tatsache, dass die ganze Welt von Kriegen und Konflikten überzogen ist. Seit Jahrzehnten steigen die Rüstungsausgaben, werden die Waffen immer teuflischer und die Flüchtlingsströme gewaltiger. Es scheint alles auf ein gewaltiges Finale zuzusteuern, auf etwas, was Bibelleser erwarten. Ob dieser Krieg in der Ukraine nur einer von vielen sein wird oder der Zündfunke für einen wirklich großen Krieg, einen Weltkrieg, kann bis jetzt niemand sagen.
Kann man positiv in die Zukunft dieser Welt blicken? Ich habe einmal geschrieben, dass böse Taten immer im gottentfremdeten Denken begründet sind. Und wenn ich mir die aktuellen Tendenzen auf moralischem Gebiet anschaue, dann kann nicht positiv über die Zukunft dieser Welt denken. In allen Teilen der westlichen Welt leben junge Menschen, die Bürger von morgen, die tatsächlich das Mantra herbeten, dass Gesetze nur dazu da sind um gebrochen zu werden. Sie wollen sich von nichts und niemanden aufhalten oder bevormunden lassen. Sie kennen keine Anständigkeit, sind habgierig bis zum Exzess und haben alle moralischen Bedenken fortgeworfen. Sie leben ohne Mitgefühl und ohne Glauben an Gott. Und sie wollen Macht – und gewinnen Macht! Es ist die Macht des Kapitals, des Geldes, mit dem sie Regierungen in die Knie zwingen können und wollen. Sie wissen, dass Demokratien käuflich sind. Demokratische Wahlen gewinnt man mit Geld und Propaganda. Seit ein paar Jahren gibt es ein Wort dafür: Thielismus (geht auf Peter Thiel zurück).
Die Bertelsmann-Stiftung hat kürzlich 137 Staaten untersucht und festgestellt, dass 67 von ihnen sich in Autokratien verwandelt haben. Demokratie scheint ein Auslaufmodell zu werden. Und sieht man sich diese Autokraten an, dann gewinnt man den Eindruck, dass sie alle aus einem Panoptikum des Schreckens stammen. Entsprechend hat sich dann auch die Zahl der Kriege und Flüchtlinge vermehrt.
Und es gibt – so ist meine traurige Einsicht – kein Umdenken, an den Stellen, wo es nötig ist. Ich sehe alle Voraussetzungen für einen Zusammenbruch dieses Weltsystems erfüllt. Und ich sehe mich als völlig hilflosen Menschen, der dieser Flut des Bösen nur seinen eigenen Glauben entgegensetzen kann. Mir bleibt nur das Vertrauen auf Gott und auf Jesus Christus. Im Fernsehen sah ich eine alte ukrainische Frau, die weinend herumlief und nicht wusste wohin: “Wo soll ich hin? Wohin soll ich gehen?” Ich wüsste es auch nicht, zumal ich jede Flucht heute als sinnlos ansehen müsste. Ich will nicht in einem Flüchtlingstreck verkommen, also lehne ich mich zurück und sage: “Macht doch, was ihr wollt, ihr seid nicht aufzuhalten. Ich verachte euch und was ihr tut, und ich will nur meinen Glauben behalten. Den könnt ihr mir nicht nehmen.”
So warte ich, was geschehen wird. Aber ich warte ohne Angst! Ich bin gelassen und will es bleiben, denn das Vertrauen zu Gott und meine Verbundenheit mit ihm lassen mich in Ruhe sein. Ich will es wie Habakuk halten, der auch einen grausamen Tag erwarten musste. Er floh zu Gott indem er sagte: “Dennoch will ich jubeln über Jehowah, den Gott meines Heils. Denn Jehowah, der Herr, ist meine Kraft.” Und als ich dies für mich entschieden habe, kommt mir der Gedanke, dass es sich wie eine Attitüde anhören könnte, wie etwas, was ich vor mir hertrage und im Ernstfall gar nicht sein könnte. Nein! Ich meine es ernst und ich bete darum, dass Gottes Kraft mir den Mut gibt, so zu leben. Ich will voller Zuversicht nach vorne blicken und wissen, dass Gottes Reich auf mich wartet.
Und nun lege ich mich wieder ins Bett und werde in Frieden schlafen.