Die Macht der Menschenfurcht über Petrus
Ich weiß, dass ich feige sein kann. Ich weiß, dass ich mutig sein muss, wenn es um Jesus Christus und mein Bekenntnis zu ihm geht. Ich weiß, dass ich um Mut ringen und beten muss. Ich weiß, dass ich viel Mut brauche, um dieser gottfeindlichen Welt die Stirn zu bieten. Ich weiß, dass sich mein eigener Glaube im Mutigsein und nicht durch Feigheit beweist. Ich weiß. dass ich dafür eine starke Hilfe brauche: Jesus Christus!
“Und wenn alle anderen irre an dir werden, ich werde dich nie verlassen. Und wenn ich mit dir sterben müsste! … Ich werde dich niemals verleugnen!” Das sagte der Apostel Petrus, als Jesus seinen Tod und die Tatsache erwähnte, dass alle ihn verlassen würden. Die anderen Apostel sagten dasselbe. Und dann kam die Stunde, in der sich der Mut der Apostel beweisen sollte. Aber die Jünger verließen ihn. War es Feigheit oder Angst? An Petrus erfüllte sich, was Jesus prophezeit hatte: “Noch heute Nacht, bevor der Hahn kräht, wirst du dreimal geleugnet haben, mich zu kennen.” (Mat. 26:31-35; Luk. 22:31-34)
Und so kam es auch. Petrus leugnete dreimal Jesus zu kennen! Als der Hahn gekräht hatte, fing Petrus den tiefen Blick seines Meisters auf – und der traf wie ein Blitz in sein Innerstes, so dass Petrus dem Blick auswich und bitterlich zu weinen begann. Da stand auf einmal wieder alles vor seinen Augen: Die innige Freundschaft zum Sohn Gottes, die durch viele gemeinsame Erlebnisse gewachsen war, seine Begeisterung für die Lehren Jesu, seine vielen Wunder, deren Zeuge er sein durfte und die lebhafte Liebe Jesu zu den Menschen und zum Leben. Und in einer ganz kurzen Zeit stellte er das alles infrage, indem er Jesu verleugnete? Das hat er wohl selbst nicht richtig begriffen. Und in einem Augenblick war er sich seiner Selbstüberschätzung bewusst geworden und konnte dann nur noch weinen. Wie würde sein Bruder Jesus nun über ihn denken? Hatte er sich nicht unmöglich gemacht?
Aber Jesus blickte weiter, er blickte bis ins Herz und konnte deshalb schon vorher sagen: “Simon, Simon, der Satan hat euch haben wollen, um euch durchsieben zu können wie den Weizen. Doch ich habe für dich gebetet, dass du deinen Glauben nicht verlierst. Wenn du also später umgekehrt und zurechtgekommen bist, stärke den Glauben deiner Brüder!” (Luk. 22:31, 32)
Petrus ist umgekehrt und wieder zurechtgekommen! Und ich weiß, dass Jesu Gebet für ihn vom Himmel erhört worden ist. Jesus muss gewusst haben, dass Petrus, nachdem er zu Fall gekommen war, in sich gehen und umkehren würde. Er kannte das gute Potenzial seines Apostels und hatte ein tiefes Verständnis für ihn. Darum fiel die Kraft des heiligen Geistes nicht auf unfruchtbaren Boden. Und so konnte Petrus dann eine Stütze und Hilfe für den Glauben anderer werden.
Mir sind an diesem Erlebnis des Petrus einige Dinge aufgefallen, die mir nicht fremd sind und die mich deshalb nicht dazu bringen, Petrus meinerseits zu verurteilen, denn auch ich hätte mich so wie Petrus verhalten können! Der Mensch neigt sehr leicht zur Selbstüberschätzung. Der gute Wille mag da sein, aber nicht immer die Besonnenheit und die Kraft, richtig zu handeln. Menschenfurcht oder Gruppenzwang kann eine Schlinge legen, in der man gefangen wird um dann gegen seine ursprüngliche Absicht handelt. Dann versteht man sich selbst nicht und schämt sich. Das alles ist dem Menschen eigen – und Jesus weiß es. Und doch erwartet er Bekennermut von seinen Jüngern.
Jesus hat oft über die Kosten der Nachfolge gesprochen und deutlich gemacht, was er von seinen Nachfolgern erwartet: “Wer sein Leben festhalten will, wird es verlieren. Wer sein Leben aber meinetwegen verliert, wird es finden.” (Mat. 10:39) Damit macht Jesus deutlich, dass man bereit sein muss, für ihn, wenn es sein muss, sein Leben zu geben! Dasselbe wiederholte er in seinen Ermahnungen an seine Versammlung in der Offenbarung: Siebenmal verhieß er den Lohn des ewigen Lebens nur denen, die den Kampf bestehen. Von den Feiglingen heißt es in Offenbarung 20:8, dass sie im zweiten Tod enden werden! (Mit dem Adjektiv “feige” (gr. deilos) ist hier ein Mensch beschrieben, der seine moralische Pflicht, die sich aus der Nachfolge Jesu aufgibt und durch Wort und Tat verleugnet.) Wer also Jesus nachfolgen will, muss mutig sein! Er darf nicht feige zurückweichen! Er muss durch sein Leben zeigen, dass er die Grundsätze seines Glaubens aus der Bergpredigt ausleben will! Das mag der Verstand einsehen, aber sieht es das Herz auch so?
Wie verleugnet man Jesus?
Was heißt es zurückzuweichen und seine moralische Verantwortung als Christ aufzugeben? Man kann als Christ still und friedlich vor sich hin leben, niemanden etwas Böses antun und fleißig Predigten hören und sich “erbauen” lassen. Aber wie die Wirklichkeit aussieht, ist es zu oft ein Christentum ohne Gewicht. Leider muss ich das so sehen, denn obwohl ein Drittel der Weltbevölkerung sich zum Christentum bekennt, ist der Einfluss auf den unheilvollen Lauf der Dinge verschwindend gering. Das Salz hat seine Kraft verloren und das Licht wurde dunkel (Mat.5:13, 14). Auch auf diese Weise kann man Jesus verleugnen. Man muss kein lautes Lippenbekenntnis vor einer Kirchengemeinde ablegen, um zu sagen, dass man zu Jesus gehört. Über die Zugehörigkeit zu Jesus entscheidet allein das christliche Leben in Glauben, Anständigkeit, Rechtschaffenheit und Wahrhaftigkeit. Der wahre Bekennermut besteht ganz einfach darin, einer korrupten Welt die Stirn zu bieten und sich niemals durch Gruppenzwang, Drohungen, Spott, Verfolgung und Todesfurcht erpressen zu lassen.
Es gibt die unterschiedlichsten Erklärungen zu Bibeltexten, es gibt viel Streit um den “richtigen Glauben”; es gibt unter denen, die sich Christen nennen, Kriege, Hass und Ungerechtigkeit. Es wird offenes Unrecht geduldet, verheimlicht oder abgestritten. Alle Verbrechen, die nach Gottes Urteil den Tod zur Folge haben, werden innerhalb der Christenheit auch verübt! Ich schreibe hier nichts Neues, es ist altbekannt und zeigt mir nur, wie “ernst” das Christentum Jesu genommen wird. Das Christentum ist ein Teil dieser Welt geworden. Man hat sich im Verkehr mit den Mächtigen dieser Welt beschmutzt. Man hat den geraden Weg verlassen und verhöhnt dadurch Jesus Christus. Der Apostel Paulus bringt den Gedanken zum Ausdruck, dass die Christusleugner Jesus Christus erneut umbringen.
Man kann als Christ nur mit dem größten Respekt vor der Gerechtigkeit Gottes leben! Ich lasse noch einmal Jesus zu Wort kommen: “Wenn es um eure Gerechtigkeit nicht viel besser bestellt ist als bei den Gesetzeslehrern und Pharisäern, werdet ihr nie in das Reich kommen, das der Himmel regiert.” (Mat. 5:20) Die Pharisäer und Gesetzeslehrer lehrten angeblich das Wort Gottes, aber sie handelten nicht danach! Durch ihr Handeln haben sie wie viele andere “christliche” Religionsführer Jesus verleugnet. Wer zu feige ist, um solchen “blinden” Führern zu widerstehen und ihnen nicht den Gehorsam verweigert, ist dann auch nicht besser als sie! Und wer weiter denkt, wird feststellen, dass diese Feiglinge deshalb so hart von Gott bestraft werden, weil ihre feige Haltung mit dazu beiträgt, dass das Unrecht ständig blüht und gedeiht, und weil ihnen einfach der Mut fehlt, gegen sich selbst ehrlich zu sein. Eigentlich haben sie gar keinen tragfähigen Glauben, der in der Lage wäre im völligen Vertrauen zu Gott mutig zu sein. Aus Feigheit machen sie mit, denn sie fürchten den Verlust liebgewordener Gewohnheiten, fürchten Menschen mehr als Gott und neigen zu faulen, unehrlichen Kompromissen.
Jesus macht mich mutig, indem er mich Gott “sehen” lässt
Es ist unserem Herrn und König bewusst, wie unser Leben als Christen aussehen kann, wenn wir es in Ernsthaftigkeit leben wollen: “Seht, ich sende euch wie Schafe mitten unter Wölfe.” Und das hat Folgen! Der Apostel Paulus zählt einiges auf, was das Leben eines Christen beschweren kann. Er selbst konnte auf einem großen Erfahrungsschatz zurückblicken und stellte fest, dass er immer wieder die nötige Kraft und den Mut bekommen hatte in Glaubensprüfungen treu zu bleiben: “Weil wir zu Jesus gehören, werden wir als Lebende ständig dem Tod ausgeliefert, damit sein [Jesu] Leben auch an unserem sterblichen Körper offenbar wird. … Deshalb verlieren wir nicht den Mut. Denn wenn wir auch äußerlich aufgerieben werden, so werden wir doch innerlich jeden Tag erneuert.” (2. Kor. 4:11, 16) Und damit erfüllt Jesus ein Versprechen, das er kurz vor seinem Tod gegeben hatte, als er seine Jünger dem göttlichen Schutz unterstellte und darum bat, dass sie durch Gottes Geist zu Menschen gemacht würden, die durch die Wahrheit ganz zu Gott gehören und so vor dem Bösen bewahrt werden. Er wollte, dass seine Jünger mutig sind und hat durch sein Vorbild gezeigt, wie es geht: “Aber ich bin nicht allein; der Vater ist ja bei mir. Ich habe euch das gesagt, damit ihr in meinem Frieden geborgen seid. In der Welt wird man Druck auf euch ausüben. Aber verliert nicht den Mut! Ich habe die Welt besiegt!” (Joh. 16:32, 33)
“Aber ich bin nicht allein; der Vater ist ja bei mir.” Das ist es, was ihn mutig machte! Er hatte den Unsichtbaren vor Augen! Und nicht nur das! Aus dieser Wahrnehmung des Allmächtigen erwuchs ihm die Kraft, die Welt durch den Glauben zu besiegen. So ging es vor ihm schon anderen Menschen. Ich darf an Moses, Daniel und David erinnern. Alle bekamen den Mut und die Kraft zum Glauben von Gott! Und weil sie glaubten, baten sie Gott im Gebet immer wieder um seine Hilfe. Durch ihre Gebete blieben sie mit Gott in Verbindung und bekamen durch die Kraft Gottes den Mut und die moralische Stärke, um standhaft zu bleiben.
Warum sollte es mit mir anders sein? Denn dafür ist ja Jesus gestorben und auferstanden. Nun bin ich sein Untertan, sein Schaf, sein Bruder. Nun ist Jesus für mich verantwortlich und ich bin geborgen und in der Lage, die Welt durch meinen Glauben zu besiegen! Aber dieser Schutz, diese Fürsorge sind nicht automatisch für mich da. Ich muss darum bitten, ständig darum kämpfen. Und das meinte Jesus mit seinen Ermahnungen zur geistigen Wachsamkeit: Nur wer bittet empfängt. Darum ist das Erlebnis der Apostel im Garten Gethsemane, als sie immer wieder eingeschlafen waren und nicht beteten, eine Warnung an mich.
Ich war nie ein mutiger Mensch, aber ich bin es in Dingen meines Glaubens geworden. Es war mir möglich, weil ich durch Jesu Wirken Gott “gesehen” habe! Er hat auch an mir wahr gemacht, was er versprochen hatte: “Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden. Niemand außer dem Vater kennt den Sohn wirklich, und niemand kennt den Vater, außer dem Sohn, und denen, welchen der Sohn es offenbaren will.” (Luk. 10:22) So habe ich im Laufe der Jahre mit Jesu Hilfe meinen Vater im Himmel “gesehen” und bin mit ihm vertraut geworden.
Was mich zu Fall bringen kann
Ich will nicht die Ermahnung vergessen, dass der, der meint zu stehen, aufpassen soll, dass er nicht falle. Selbstüberschätzung kann leicht zu einer großen Schwäche werden und dazu führen, dass man sich eher auf sich selbst verlässt, als auf die Kraft Gottes. So will ich immer wissen, dass auch auf mich zutrifft, was im Psalm 127:1 steht: “Wenn Jehowah das Haus nicht baut, arbeiten die Bauleute vergeblich. Wenn Jehowah die Stadt nicht bewacht, wacht der Wächter umsonst.” Darum will ich verinnerlichen, was Jesus über das Treubleiben und Ausharren sagte: “Wer hören will, achte auf das, was der Geist … sagt. Wer den Kampf besteht, dem wird der zweite Tod nichts anhaben können.” (Off. 2:11)
Bin ich eigentlich davor gefeit, keiner Lüge mehr zum Opfer zu fallen? Bin ich sicher, dass ich nicht mehr durch Propaganda verführt werden kann? Bin ich mir meiner selbst sicher, wenn es um meinen inneren Menschen, um mein Herz geht? Wenn ich ganz ehrlich bin – und soweit kenne ich mich gut genug – dann bin ich gefährdet, dann kann man mich betrügen und verführen. Denn mein Verstand und meine Wahrnehmung sind nicht absolut und vollkommen. Ich kann mich auch selbst verführen, ich kann durch andere verführt werden. Wer bewahrt mich vor einem schlimmen Selbstbetrug? Wer warnt mich rechtzeitig? Wer gibt mir Einsichten in die vielen Gefahren, die auf mich lauern? Wer nimmt mir die Angst vor Menschen? Wer kann verhindern, dass ich mich durch Angst erpressen lasse? Wer sorgt dafür, dass ich in der Sache meines Glaubens und Lebens kein Feigling bin? Wer gibt mir den nötigen Mut, der meine Furcht besiegt?
Ich habe es schon angedeutet: Wenn Gott das Haus nicht baut, dann arbeiten die Bauleute umsonst. Also muss ich um meines Lebens willen den Schutz des Himmels erbitten und annehmen. Dazu würde zuerst einmal gehören, dass ich mich selbst durchschauen kann. Wer mit Gott lebt, erhält seinen Geist. Dieser göttliche Geist gibt mir alles an die Hand, was ich in dieser Hinsicht wissen muss. Und ich kann auch meinen Verstand einsetzen und mein Gewissen sprechen lassen – wenn ich es zulasse: “Der Geist des Menschen ist ein Licht Jehowahs, er durchforscht des Menschen Inneres.” (Spr. 20:27) Ja, ich werde dazu gebracht, mich selbst in bestimmten Situationen zu erkennen. Und dann kommt es darauf an, den Mut zum richtigen Handeln zu haben und diesen Einsichten zu gehorchen. Die in Offenbarung 20:8 erwähnten Feiglinge weichen in der Regel diesen Einsichten aus.
Allein schon beim ehrlichen Bibellesen finde ich immer wieder Aussagen, die mein Inneres beleuchten und mich befähigen, mich zu beurteilen. Und da kann ich zB. feststellen, dass ich mich selbst zu wichtig nehme. Hiob ist das passiert, und nicht nur ihm. Am Ende sagte er, nachdem er in sich gegangen war: “Siehe! Ich bin von geringer Bedeutung geworden. Was soll ich dir noch sagen?” Dieses Wichtignehmen ist ein menschlicher, allzu menschlicher Zug, aber er kann missbraucht werden, wenn Betrüger merken (und das merken sie rasch), dass Ehre von Menschen mir wichtig sein könnte. Dann bin ich anfällig für Schmeicheleien und Komplimente. Dann fühle ich mich durch falsche Ehre geschmeichelt und erhöht. Und sollte man mir Macht über Menschen verleihen, dann könnte ich in der Lage sein, sie zu missbrauchen und immer wieder meine eigene Ehre und meinen Vorteil zu suchen.
So gibt es viele Gefahren, in denen der schwache, anfällige Mensch zu Fall kommen kann und dann Jesus verleugnet oder feige von ihm zurückweicht. Ich möchter noch einmal auf Petrus zurückkommen. Er hat den Herrn Jesus zwar verleugnet, aber er wird dafür nicht mit dem Tod im Feuersee bestraft! Warum nicht? Weil er seinen Glauben nicht verloren hat. Er ist als Mensch gestrauchelt.. Er war nicht berechnend und falsch. Er war kein Betrüger und feiger Lügner! Er war kein Heuchler, der seine moralische Haltung nur vordergründig zur Schau stellte, um die Umgebung zu täuschen. Nein, Petrus war von diesen Dingen frei. Seine Schwäche war die Menschenfurcht und die Angst davor, was andere über ihn denken könnten, Aber durch seine Erfahrungen mit sich selbst und unter dem Einfluss des heiligen Geistes hat er diese Furcht besiegt. So erkenne ich an Petrus, dass auch er nicht verlassen worden ist, sondern einen gütigen Helfer hatte, der ihn immer wieder auf den rechten Weg gebracht hat.