Als Kind Gottes endlich zu Hause

“Wer ist eigentlich der Größte im Reich, das der Himmel regiert?”


Der allgemeine Mensch hat es gerne “groß”. Er wünscht sich Ruhm, Ehre, Macht, Bewunderung und Verehrung. Er sieht sich gerne über  andere erhöht und möchte ein Star sein, der umjubelt wird und um den man sich reißt. Und was hat man nicht alles getan, um dieses Ziel zu erreichen! Ein flüchtiger Blick in die Geschichte zeigt uns unzählige “Große”, ein genaueres Hinsehen aber auch vieles, wofür sich ein Mensch schämen muss. Da fragt man sich, warum hinter den “Großen” so viele Tote aus Kriegen, Überfällen, Eroberungen, Versklavungen stehen, und warum sie  so viel Leid und Ungerechtigkeit über die Völker  gebracht haben. Ist das Größe? 

Die Jünger Jesu stritten sich zu oft um den ersten und besten Platz, bis es dem Christus einmal zu viel wurde. Da stellte er ein kleines Kind in ihre Mitte und sagte: 

“Ich versichere euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Reich kommen, das der Himmel regiert. Darum ist einer, der es auf sich nimmt, vor den Menschen so gering dazustehen wie dieses Kind, der Größte in diesem Reich.”         (Mat. 18:3, 4)

Was der Meister hier sagte, war für die Jünger nicht neu, denn die Glücklichpreisungen der Bergpredigt lehren auch nichts anderes. Denn um nach Gottes Willen glücklich zu sein, muss man einsehen, wie “arm” man vor Gott ist, dass man seine Sünden schmerzlich empfindet, sich nicht um fast jeden Preis selbst auf Kosten anderer durchsetzt, sanftmütig und zur Verständigung bereit und barmherzig ist und zuerst Gottes Gerechtigkeit und nicht seine eigene sucht. Alle diese Verhaltensweisen beweisen schließlich, dass man ein KIND GOTTES ist. Und nur solche Menschen erben das Reich! 

Warum ein Kind?

Wenn Jesus von seinen Nachfolgern verlangt, dass sie wie Kinder sein sollen, dann meint er nicht die natürliche Unreife eines Kindes, sondern seine anhängliche Fügsamkeit und sein unbedingtes Vertrauen zum Vater. Er wünscht kindliche Demut und Liebe. Ein Kind kennt noch nicht den Wunsch nach einer prominenten Stellung in der Welt der Erwachsenen. Und ebenso soll ein Anbeter Gottes sein. Unter seinen Geschwistern sollte er nur der Gleiche unter Gleichen sein, und vor Gott einfach nur wie ein kleines Kind, das von seinem Vater fürsorglich geliebt wird. Der König David mag so empfunden haben, als er das schrieb:

“Jehowah, ich will nicht hoch hinaus, ich schaue auch auf niemand herab. Ich gehe nicht mit Dingen um, die mir zu groß und wunderbar sind. Nein, ich habe mich beruhigt, habe meine Seele besänftigt. Wie ein gestilltes Kind bei seiner Mutter bin ich geworden.” (Psalm 131)

Die Liebe macht den Menschen in Gottes Augen groß

Und wenn es schon um Größe geht, dann ist es nur eine Eigenschaft, die uns in Gottes Augen groß macht: Es ist die Liebe! Ohne sie, so erfahre ich aus dem 1. Brief an die Korinther im Kapitel 13, ist alles andere, auch der  Berge versetzende Glaube, sinnlos und leer! Die Liebe ist das Ziel, die Krönung unseres Daseins und sein Sinn, weil sie uns mit Gott  verbindet und zu seinen Kindern macht. 

Nicht der kühne, gefühllose Eroberer und nicht der gewissenlose Held sind in Gottes Augen groß, sondern jene Menschen, die sich als Segen für andere erweisen wollen, die aus der Finsternis des Egoismus aufgewacht sind und gelernt haben, was Liebe eigentlich ist. Die Liebe ist das königliche Gesetz, das alle in der Familie Gottes vereint und die Ursache dafür ist, dass sich alle Mitglieder dieser Familie als Segen für alle anderen erweisen. Liebende in diesem Sinn sind Diener der Liebe und nicht ihre Herren, die ihre Zuwendung nach Lust, Laune und Berechnung verteilen. Genau das will der Apostel sagen, wenn er das alltägliche Leben von Christen in Römer 12 beschreibt: 

“Und richtet euch nicht mehr nach den Maßstäben dieser Welt, sondern lasst die Art und Weise, wie ihr denkt, von Gott erneuern und euch dadurch umgestalten, sodass ihr prüfen könnt, ob etwas Gottes Wille ist – ob es gut ist, ob es Gott gefällt und ob es zum Ziel führt.” (Rö. 12:2)

Und dann führt der Apostel Beispiele für ein Leben an, dass den Mitmenschen immer im Blick hat, ein Leben, das ein heiliger Dienst für Gott sein soll und das sich in der warmen und barmherzigen Liebe erfüllt. Sie ist nicht das Streben nach Vorrang und Prominenz; sie ist kein Konkurrenzkampf und keine Heuchelei. “Liebe muss echt sein, ohne Heuchelei!” (Rö. 12:9) 

Wer so lebt wird glücklich, denn die Liebe, ist Ziel,  Erfüllung und der Sinn seines Lebens. Sie ist Aufgabe und Belohnung zusammen. Und in der Familie Gottes strömt die Liebe von einem zum anderen. Das ist ja das Geheimnis der Liebe, dass sie sich vermehrt und zurückkommt, dass sie Frucht trägt unter jenen, in denen die Liebe Gottes an ihr Ziel kommt. Diese Liebe macht reich! Sie bereichert den, der sie übt und den, der sie empfängt. Der Liebe spendende Mensch wird selbst reichlich gesättigt. (Spr. 11:25) Er hat es nicht nötig prominent, berühmt und materiell reich zu werden. Er verzichtet auf den billigen Glanz des vergänglichen Ruhms und der fragwürdigen Größe. Seine Demut und sein Mut zur uneigennützigen Liebe, macht ihn und andere groß! Sein Heldentum besteht einfach darin, dass er liebt, dass er liebt in Tat und Wahrheit, dass er etwas tut, was die nach Reichtum und Erfolg jagende Welt verachtet, was in ihr oft als schwach und armselig gilt.  

So ein Mensch macht nichts Besonderes, auch wenn es so aussehen mag. Er gehorcht einfach seiner inneren Bestimmung, weil er weiß, dass der Mensch dazu geschaffen worden ist: zum Heldentum der Liebe! Nur dadurch zeigt er, dass er ein Kind Gottes ist, denn Gott selbst ist Liebe! Und damit zeigt er, dass er ein wirklicher, edler Mensch ist! Solche Menschen sind die wahren Großen, aber in dieser Welt wird das zu selten geschätzt und beachtet. Dieses stille Heldentum besteht in der Bescheidenheit und der Anerkennung der eigenen Bedeutungslosigkeit vor Gott. Das sind dann die Kinder, von denen Jesus sprach und nur sie werden Erben des Reiches Gottes werden. 

Die Welt sieht es anders

Wie anders geht es im Allgemeinen zu: Die Welt erstarrt in Lieblosigkeit zu Eis. Und fast jeder leidet darunter, leidet bis zur Verzweiflung und Selbstvernichtung.  Und dabei tragen doch alle die Sehnsucht nach Liebe im Herzen. Warum aber haben sie nicht den Heldenmut der Liebe? Warum betreiben sie stattdessen eine Selbstzerstörung an sich und an der ganzen Welt? Weil sie keine Kinder Gottes sind, weil sie nicht wie Kinder sein wollen, denen das Glück im Reich Gottes gehört? Nun, dann müssen sie sich anderswo selbst bestätigen und Sinn suchen. Dann müssen sie die “Größe” auf die übliche Weise erreichen, aber in Kauf nehmen, dabei nicht glücklich zu werden, denn unser Leben folgt seinem unausweichlichen Gesetz und jede Verletzung dieses Gesetzes wird sich fürchterlich rächen – jetzt , heute und in der Zukunft.

Wie wird man wie ein Kind, das Gottes Reich erben wird? 

Von unserer sündhaften Neigung her gesehen scheint das schwierig zu sein. Eher sind wir stolz als demütig. Eher denken wir zu hoch von uns, als dass wir einsehen, wie verkommen wir eigentlich sind. Eher vertrauen wir doch auf uns selbst, als auf Gott und bilden uns zu viel ein. Dieses Denken passt einfach nicht zu wirklichen Kindern. 

Aber ich möchte die Kraft und die Liebe Gottes dabei nicht unterschätzen! Als Jesus einmal erwähnte, wie schwierig es sein kann, als Reicher in das Reich Gottes zu kommen, fragten die Apostel, für wen das überhaupt möglich wäre. “Bei Gott sind alle Dinge möglich”, war seine Antwort. Und tatsächlich, kurz darauf erlebten sie, wie “ein Kamel durch das Nadelöhr kommen” kann: Ein korrupter und betrügerischer Ober-Steuereinnehmer kehrte um und wurde ein Christ! Sein Name kam in die Bibel: Zachäus. Er war sehr reich und hatte einen ganz schlechten Ruf. Er war  durch Korruption, Erpressung und Betrug reich geworden. Und doch wurde hier ein böser Mensch zum Sieger über sich selbst, weil er Jesus anerkannte und sich Gott unterwarf. In fast einem Augenblick fühlte er sich als Mensch, als Jesus sich bei ihm, dem stadtbekannten Sünder, zum Abendessen einlud. Damit begann er über sich selbst nachzudenken, und er kam zur Einsicht, dass er die Barmherzigkeit Gottes brauchte. Und dann machte sich dieser Mann ganz klein vor Gott und wollte auf der Stelle den Schaden gut machen, den er angerichtet hatte. Mit seinem öffentlichen Eingeständnis seiner Betrügereien offenbarte er sich vor allen als Betrüger. Nun wollte er nur noch ein Kind Gottes sein. Er wurde ein anderer Mensch, der sich änderte. Das hätte vorher niemand für möglich gehalten. 

Bei Hiob handelte es sich um einen Menschen, der an Gott glaubte und ihn fürchtete. Aber auch er musste sich klein machen, musste wie ein Kind werden. Von Hiob wissen wir, dass er “gottesfürchtig und rechtschaffen” war wie kein zweiter in seiner Generation. Als er noch reich und angesehen war, galt er als respektable Autorität. Als das alles verschwand und er vom Satan auch noch mit einer schlimmen Krankheit geschlagen wurde, begann er an Gott irre zu werden. Er wusste ja nichts vom Gespräch im Himmel, das Gott mit Satan geführt hatte (Hi. 1:8-12; 2:3-6). Und darum war er der Meinung, dass Gott sein Feind geworden sei. Hiob verlangte Rechenschaft von Gott. Er wollte wissen, warum er so schrecklich leiden musste, denn er war der Meinung, dass Gott die Ursache dessen war, was ihn erschütterte. Am Schluss wird ihm von Elihu und von Gott vorgehalten, dass Gott nicht von üblen Dingen beherrscht sei und dass keines seiner Geschöpfe ihn vor ein Tribunal ziehen könne, denn er ist über jedes Unrecht erhaben. Man kann ihm niemals etwas Unrechtes zuschreiben. 

Als das klar wurde, besann sich Hiob, denn noch etwas hatte er durch Gottes Lektion gelernt: Ein Mensch ist sternenweit davon entfernt, Gott zu verstehen. Aber er darf, weil Gott völlig sich selbst und seiner Gerechtigkeit treu ist, immer und überall auf seinen Vater vertrauen! Darum sagte Hiob, dass er erst jetzt Gott erkannt habe. Und noch etwas: Er hat auch eingesehen, dass er mit der Haltung eines vertrauenden Kindes vor Gott stehen sollte und nicht wie ein ebenbürtiger Gegner in einem Rechtsstreit. Er bestätigt dies so: 

“Ich weiß, dass du alles vermagst, kein Plan ist unmöglich für dich. .. Ja, ich habe geredet, was ich nicht verstand. Es war zu hoch für mich, ich begriff das alles nicht. Höre doch, ich will nun reden, will dich befragen, dass du mich belehrst. Bloß mit dem Ohr hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich geschaut. Darum unterwerfe ich mich und bereue in Staub und Asche.” (Hi. 42:2-6)

Mit diesen Einsichten hat Hiob seine ihm gemäße Stellung eingenommen: Er wurde ein vertrauensvolles Kind Gottes. Vorher war er ein Mann mit Autorität, der gegenüber seinem Schöpfer auf sein angebliches Recht pochte und meinte, dass Gott ihm Rechenschaft schulde. 

Ich möchte noch eine Geschichte erwähnen, die Jesus erzählt hat und die jedem zu Herzen gehen muss, der ein Bewusstsein seiner eigenen Sünden hat. Es ist die Geschichte vom verlorenen und wiedergefundenen Sohn (Luk.15:11-32). Man lernt zuerst, dass Gott auf eindrucksvolle Weise barmherzig ist. Jeder Vater kann sich vorstellen (und manche erleben es auch), wie es sich anfühlt, wenn ein geliebter Sohn den Vater verlässt und auf die schiefe Bahn gerät, auf der er schnell abwärts saust. Als der Sohn in Jesu Geschichte ganz unten angekommen ist, beginnt er nachzudenken. Und nachdem er “in sich selbst angekommen ist”, sieht er sein Unrecht ein und er geht zu seinem Vater zurück, der ihn im Stillen erwartet hat. Und dann nimmt er sich vor, etwas zu sagen, was so leicht kein Sohn sagt: “Vater, ich habe mich versündigt – gegen den Himmel und auch gegen dich. Ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn genannt zu werden. Mache mich doch zu einem deiner Tagelöhner.” Der Sohn macht sich auf den Heimweg. Der Vater sieht ihn von fern und läuft ihm entgegen. Er umarmt seinen Sohn und küsst ihn. Der Sohn kommt nach den ersten beiden Sätzen gar nicht dazu, weiter zu sprechen und um die Stelle als Tagelöhner zu bitten – sein Vater gibt seiner übergroßen Freude über den wieder gewonnenen Sohn Ausdruck und lässt ein Fest anrichten. Nicht als Tagelöhner nimmt er ihn zurück, sondern als Sohn, als geliebtes Kind. Und das tut er ohne Vorwürfe!

Mit dieser Geschichte wollte Jesus verdeutlichen, wie Gott heimkehrende Kinder empfängt, wenn er bemerkt, dass sie in sich selbst angekommen sind und nun endlich nach der Irrfahrt des Lebens wissen, wo sie wahrhaft zu Hause sind. Hier hat sich ein Mensch vor Gott gedemütigt, klein gemacht und wollte nur noch mit seinem Vater in Frieden sein, bei ihm zu Hause sein und nichts weiter fordern. Und diese Geschichte zeigt, wie man ein Kind Gottes wird. Und ist man es geworden, dann hat man nichts anderes mehr nötig, denn beim Vater wird wirklich alles gut! Denn für ein Kind Gottes ist für alles gesorgt!

Veröffentlicht von Tilo

Ein alter Mann, der lange Zeit ein Zeuge Jehovas war und dieser Kirche aus Gewissensgründen den Rücken kehrte. Heute stehe ich allen Kirchen misstrauisch gegenüber, denn glauben kann man nur allein. (amenuensor@aol.com)

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