Nachtgedanken

Meine Heimatlosigkeit war der Beginn einer Reise

Ich bin in dieser Welt nur (zufällig) anwesend, aber nicht zu Hause. Diese Heimatlosigkeit war mir schon früh bewusst. Zuerst war es die Ahnung, dass irgendetwas mit dem Leben nicht stimmen konnte. Später, als ich das Leben deutlicher wahrnahm und es lesend auch durch die Augen anderer Menschen sehen konnte, nahm die Ahnung Gestalt an und ich wusste: “Hier bin ich nicht zu Hause! Da will ich nicht hin! Ich will mit dem, was hier tagtäglich an Unrecht geschieht, nichts zu tun haben! Ich hasse diese Welt, die uns im Grunde nicht einen Tag wirklich leben lässt!” Und eine innere Stimme schien zu rufen, ein unbestimmtes Gefühl mich zu locken. So habe ich mich auf die Suche nach Gott gemacht

Heute weiß ich mit aller Deutlichkeit, wo ich zu Hause bin! Ich bin dort, wo meine Sehnsucht hin will: In die Nähe Gottes. Ich bin den Weg gegangen. Ich habe gefunden, wonach ich suchte. Und ich kann meinen Bewusstseinszustand gut mit dem Psalm 84 beschreiben. Ich finde und erkenne mich in dieser Dichtung  wieder – und bin glücklich darüber. 

Ein Psalm spiegelt meine Empfindungen wider

Es ist der 84. Psalm. Diese Dichtung der “Söhne Korachs” beginnt mit der Feststellung, dass die ‘Wohnungen Jehowahs lieblich sind’. Wer das so empfindet, hat nicht nur die tiefe Sehnsucht nach Gottes Nähe, sondern auch erfahren, dass es gut tut, in dieser Nähe zu sein. Es muss die Nähe sein, die ein Kind beim Vater sucht, eine enge Bindung, die  nur zu fühlen ist und die durch tiefe, treue wechselseitige Liebe zustande kommt. Darum versteht man sofort, warum die Sehnsucht so mächtig ist: Man will nicht ohne diese Liebesbeziehung sein, denn sie ist die wahre Geborgenheit, der man ‘mit Leib und Seele entgegen jubelt’. Dann macht man sich auf die Reise, weil man ein Ziel hat, für das man leben will. Und wird dieser Wunsch nach Nähe durch die Gnade Gottes gewährt, dann steht man voller Respekt vor dem Vater und drückt es so aus:

“… deine Altäre, Jehowah, Allmächtiger, mein König und mein Gott! … Denn ein Tag in den Höfen des Tempels ist besser als tausend andere sonst. Lieber will ich Torwächter im Hause meines Gottes sein, als in den Zelten des Unrechts zu wohnen.” 

Wer das mit dem Herzen sagen kann, hat keine anderen Wünsche mehr, denn er weiß, dass er sich auf der Reise nicht fürchten muss, weil der Allmächtige für ihn sorgt. Darum: 

“Wie glücklich sind die, die in deinem Haus wohnen. Immerzu loben sie dich!” 

Das Herz ist dann von heißer Dankbarkeit erfüllt, die sich in starken Gefühlen äußert. 

Mein Leben kann ich als eine Pilgerreise betrachten, denn ich habe ein Ziel. Es ist das Neue Jerusalem, die Stadt Gottes, die “von Gott aus dem Himmel herabkommt” und “bei den Menschen sein wird”. Es ist die Erfüllung meiner Hoffnungen. Das ist mein wahres Zuhause! Denn nur dort werden sich Treue und Wahrhaftigkeit begegnen, nur dort werden Frieden und Gerechtigkeit sich küssen. Die Söhne Korahs fühlten sich auch auf einer Pilgerreise und ihre Sehnsucht ist auch meine:

“Mein Inneres verzehrt sich in Sehnsucht nach den Höfen im Tempel Jehowahs. Mit Leib und Leben juble ich dem lebendigen Gott zu!

Wie glücklich sind die, die in deinem Haus wohnen. Immerzu loben sie dich!

Wie glücklich sind die, deren Stärke du bist, die sich zur Pilgerreise rüsten. Wenn sie durchs “Tal des Weinens” ziehen,   machen sie einen Quellplatz daraus, den auch der Herbstregen mit Segnung umhüllt. 

Mit jedem Schritt wächst ihre Kraft, bis sie vor Gott in Zion erscheinen.”

Diese Pilgerfahrt führt auch durch schwere Zeiten, durch das “Tal des Weinens”, aber unter dem Schutz Gottes verwandelt es sich in einen Ort den erfrischenden Quellen, in einen Ort, das der Herbstregen mit Segen füllt. Man erlebt an sich selbst, was auch Paulus erfahren hatte: “Deshalb verlieren wir nicht den Mut. Denn wenn wir auch äusserlich aufgerieben werden, so werden wir doch innerlich jeden Tag erneuert.” (2. Kor. 4:16) Und diese “Reiseerfahrungen” machen den Pilger stark und verfestigen sein Vertrauen: Mit jedem Schritt wächst seine Kraft im Glauben, bis er am Ziel ist. Am Ende weiß er, dass die Stärke, die Kraft Gottes, in ihm war. Er ist auf wunderbare Weise begleitet und geführt worden.

Der Psalm endet mit Worten, denen ich von Herzen zustimme: 

“Denn Jehowah, Gott, ist Sonne und Schild. Jehowah schenkt Gnade und Ehre. Denen, die aufrichtig leben, wird Gott nichts Gutes versagen.

Jehowah, Allmächtiger!

Glücklich der Mensch, der auf dich vertraut!” 

Heute geht es mir gut! Es geht mir gut, weil ich mich geborgen fühle und mit dem Herzen weiß, dass ich in Gottes Liebe zu Hause bin! Ich habe an mir selbst erfahren, erlebt und gespürt, wie Gottes Liebe “schmeckt”. Nun bin ich zufrieden und will immer nur dafür danken, danken für das Vertrauen, das ich haben darf und das Gott durch Christus mir eingeflößt hat. Dankend juble ich dem lebendigen Gott zu!

Veröffentlicht von Tilo

Ein alter Mann, der lange Zeit ein Zeuge Jehovas war und dieser Kirche aus Gewissensgründen den Rücken kehrte. Heute stehe ich allen Kirchen misstrauisch gegenüber, denn glauben kann man nur allein. (amenuensor@aol.com)

%d Bloggern gefällt das: