Jammer

Es ist Sommer! Die Welt leuchtet im Sonnenschein und alles in der Schöpfung atmet tiefen Frieden. Aber mich hatte der Jammer gepackt! Was war geschehen? Ich war enttäuscht von mir, und vom allgemeinen Menschen und seinem Leben. Es kam mir alles so schäbig und unwürdig vor. Wo sind nur die Illusionen geblieben? Wo sind die Träume vom richtigen und gerechten Leben? Und als mir wieder einmal bewusst wurde, dass es so ist, wie es ist, verdorrte die Freude und ich begann innerlich zu jammern. Ich ekele mich vor mir selbst, denn bei all den guten Wünschen und Sehnsüchten bleibt doch die Tatsache , dass das Leben eigentlich hassenswert ist, wie es der Prediger formuliert hat (Pre. 2:17).

Habe ich zuviel erwartet? Bestimmt. Denn trotz allen Wissens um das Böse und um das, was nach Gottes Willen gerecht und allein wahr sein soll,  bleibt der Mensch doch an der Sünde kleben und die Herrschaft des Bösen dauert noch an. Und dem entkommt man nicht. O ja, der gute Wille ist vorhanden, aber die Macht und der Einfluss des Bösen auch. 

Ich weiß, dass ich “bescheiden mit Gott wandeln“ soll (Micha 6:8). Und was bedeutet das für mich? Es bedeutet auch, auf IHN warten zu können! Vorerst habe ich nur die Hoffnung auf das “Vollständige”. Jetzt bin ich immer noch ein zerschlagener Spiegel, der sich selbst nicht einmal klar erkennen kann. Jetzt ist die ganze Welt immer noch – und wer weiß wie lange? – in der brutalen Macht des Bösen. Und der Böse kennt seine Macht über die Menschen. Wie ein Diktator wendet er sie unbarmherzig an, um sein Ziel zu erreichen. Da ist ihm jedes Mittel recht. Das Erreichen seines Ziels wird ihm von den meisten Menschen leicht gemacht, denn sie sind feige, falsch, habgierig, heillos und fürchten die Gewalt. Mit Angst und Erpressung arbeiten der Teufel und seine Helfer. 

Ein Diktator z. B. ist nur so mächtig, wie es seine Gefolgsleute zulassen. Sie gehören zu seinem Machtapparat und ohne diese Gefolgschaft hätte er gar keine Macht. Natürlich belügt jeder Diktator seine Gefolgsleute und betrügt sie. Aber sie lassen es scheinbar gerne zu, weil sie in moralischer Hinsicht auch nicht besser sind. Ein Diktator ist ja nur der Ausdruck und die Verkörperung des eigenen bösen Denkens der Masse. So hat es Jesus Christus in Johannes 8:44 ausgedrückt: “Denn euer Vater ist der Teufel, und nach den Begierden eures Vaters wünscht ihr zu tun!” Darum ist also die Grundordnung zerbrochen, wie es im 11. Psalm steht. Und sie ist zerbrochen, weil die Menschen Gott vergessen haben. Es ist die Trennung von Gott und damit die fehlende Gottesfurcht, welche die Amoralität der Masse zur Folge hat. Der Teufel hat sie zu Komplizen gemacht.

Darum sind die Nachrichten voll von ihren Gräueln. Eine anschwellende Flut schlimmer Nachrichten erzeugte in mir das Gefühl der Ausweglosigkeit.  Jeden Tag wurden die Nachrichten düsterer, und die vielen ungelösten Probleme dieser Welt demoralisieren und  entmutigen. Überdeutlich erkannte ich den korrupten Politiker und die Tatsache, dass aus jedem Problem auch Kapital geschlagen wird. Weil ich mich zu stark damit beschäftigte, konnte die  Freude nur sterben.

Ach, was wünsche ich dieser Welt? Ich kann ihr keinen Frieden wünschen, denn der Frieden ist nur für die Friedsamen der Bergpredigt möglich. Ich kann ihr keine Gerechtigkeit wünschen, denn sie ist eine Frucht der Gottverbundenheit, die aber abgelehnt wird. Vielleicht sollte ich dies wünschen: 

Dass jeder einen Augenblick findet, in dem er einen tiefen, nüchternen und mitleidlosen Blick in sein Inneres werfen kann. Dann kann es sein, dass er tief erschreckt und sich vor sich selbst fürchtet. Das Entsetzen über sich selbst kann  zum radikalen Umdenken führen, das ich  jedem wünsche, der meint, er könne sich alles erlauben, ohne dafür Rechenschaft geben zu müssen. 

Und was bleibt mir? Was kann ich tun? Ich muss mich selbst zurecht weisen und den Rat aus dem 37. Psalm radikal auf mich anwenden. Einen anderen Ausweg sehe ich nicht. Ich muss mich auf das feste Fundament meines Glaubens retten, damit Angst mich nicht wahnsinnig macht. Ich muss auf meinen Gott und Vater im Himmel vertrauen! Das ist so leicht dahin gesagt, aber es erfordert bewusstes Handeln, Mut und Ausdauer:

“Reg dich nicht über die Bösen auf, beneide die Verbrecher nicht!

Sie verdorren schnell wie das Gras, welken wie das grüne Kraut.

Vertraue auf Jehowah und tue das Gute, 

wohne im Land, sei ehrlich und treu.

Erfreue dich an Jehowah!

Er gibt dir, was dein Herz begehrt.

Lass Jehowah dich führen!

Vertraue ihm, dann handelt er.

Er wird dein Recht aufgehen lassen wie das Licht,

deine Gerechtigkeit wie Sonne am Mittag.

Sei still vor Jehowah und warte auf ihn!

Achte auf geradlinige Menschen, 

sieh dir die Ehrlichen an,

denn ein Mann des Friedens hat Zukunft.

Doch die, die Gott verachten, werden ausgelöscht. 

Die Zukunft der Gottlosen ist schon vorbei.”

(Ps. 37:1-7, 37, 38)

Ich habe zu oft gedacht, dass mich so leicht nichts erschüttern könnte. Ich war hoffnungsfroh und freudig, hatte ‘Freude an Jehowah’ und fühlte mich wohl. Doch dann kamen die Tage, an denen ich mich selbst nicht leiden konnte. Ich war depressiv und sah alles in düsteren Farben und meine Freude vertrocknete, weil die täglichen Nachrichten zur schlimmen Last für mich wurden. Und dann ich habe das Gefühl von Gott getrennt zu sein. Er ist dann so weit weg. Nur mein Verstand weiß dann noch von ihm. Meine Gefühle sind versiegt. Aber ich weiß auch, dass ich in guter Gesellschaft mit all denen bin, die auch am Leben und an sich selbst gelitten haben. Die Bibel kennt viele Beispiele. 

Dieser Zustand ist allein mein Problem. Ich kann und will niemanden eine Vorwurf machen. 

In mein Notizheft habe ich dies geschrieben: 

“Ich will keine Nachrichten mehr hören, denn es gibt ja doch nichts Neues unter der Sonne. Was ich gesehen habe und noch sehen könnte ermüdet mich, ekelt mich an und drückt meine Stimmung. Es raubt mir die Kraft und macht mich mutlos. Das will ich nicht zulassen, denn ändern kann ich den Lauf der Dinge nicht! Aufgrund meiner Erfahrung habe ich den Glauben an eine kollektive Besinnung auf das, was vor Gott gerecht ist, völlig verloren.” 

So will ich Freude wollen und bemüht sein, sie zu behalten. Ich will mich an meinem Gott und Vater freuen und immer wissen, dass ich nur dort zu Hause bin, wo seine Liebe herrscht! Es wird ein Leben auf einer Insel sein auf die ich nichts lassen will, was meine Freude vergiftet. Und ich bete darum, dass Weisheit und Frieden mein Herz beschützt und Gott mir durch Jesus beisteht.

Ja, ich will mich freuen! Ich will die Augen meines Herzens weit öffnen und alles das sehen, was mein himmlischer Vater mir täglich schenkt. Ich will die Hoffnung grünen lassen und wissen, dass mein Vater alle Verheißungen durch Jesus zum starken “Ja!” werden lassen wird! Amen!

Veröffentlicht von Tilo

Ein alter Mann, der lange Zeit ein Zeuge Jehovas war und dieser Kirche aus Gewissensgründen den Rücken kehrte. Heute stehe ich allen Kirchen misstrauisch gegenüber, denn glauben kann man nur allein. (amenuensor@aol.com)

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