Sei bereit zu leiden

“Wovor mir Angst war, das hat mich getroffen, wovor mir graute, das kam über mich.

Hatte ich nicht Frieden, nicht Ruhe, nicht Rast? Und dann kam das Toben.

Welche Kraft hätte ich, noch zu hoffen, was ist das Ziel, für das ich durchhalten soll?”

(Hiob 3:25, 26; 6:11)


Wie stehe ich zu Prüfungen? Ich habe versucht, mir die Frage Hiobs zu beantworten: “Was ist das Ziel, für das ich durchhalten soll?” Dass es für mich mitunter schwierig ist, mit dem Leben fertig zu werden, habe ich schon angedeutet. Und weil ich es so empfinde, habe ich eine gewisse Scheu davor, mich detailliert mit der Frage Hiobs auseinanderzusetzen. Man ist ja geneigt, nicht zu sehr an unangenehmen Dinge, wie Verfolgung oder Misshandlung zu denken, aber einmal muss es sein.

In den Reden Jesu an seine Jünger taucht immer wieder der Gedanke auf, dass sie bereit sein müssen, ihren “Marterpfahl” auf sich zu nehmen. Damit wollte er deutlich machen, dass der Lebensweg eines Christen von Erprobungen gekennzeichnet ist. Bis zum Ende der Bibel wird immer wieder gefordert, dass sich Kinder Gottes als treu bis in den Tod erweisen müssen (Off. 2:7, 11, 17, 26; 3:5, 12, 21). Eine anschauliche Schilderung der möglichen Leiden gibt der Apostel Paulus im Brief an die Hebräer im Kapitel 11. Alle Glaubensmenschen wurden erprobt und mussten ihr Vertrauen auf Gott unter Beweis stellen. Auch die Apostel haben durch ihr Leben gezeigt, was das bedeuten kann. Da stehe ich auch vor der Frage: Bin ich dazu bereit, treu bis in den Tod zu bleiben?

Mit meinen Wünschen und guten Vorsätzen bin ich bereit zu leiden. Aber leicht nimmt man den Mund zu voll, und dann geht es einem wie Petrus, der auch spontan zu Jesus sagte, dass er bereit sei, sogar mit ihm in den Tod zu gehen. Da Jesus seinen Apostel gut kannte, prophezeite er den Verrat, und – tatsächlich – Petrus leugnete kurz darauf, Jesus zu kennen. Als ihm das bewusst geworden war, “weinte er bitterlich”. Daran muss ich denken, wenn ich mir vornehme, meinem Gott und meinem Vater immer treu zu bleiben. Wie gut kannte Petrus sich selbst? Und wie gut kenne ich mich? Petrus hat nach seinem Versagen erfahren, was seine Schwäche war und was ihn zu Fall brachte: Es war die Menschenfurcht. Hätte er das ohne eine Erprobung so deutlich erfahren? Durch seine Niederlage wurde der Fokus auf seine Schwäche gelenkt und so hat er erfahren, “was in seinem Herzen war” und danach konnte er sich für künftige Krisen wappnen.

Das erinnert mich an Israeliten auf ihrer 40ig-jährigen Wanderung durch die Wildnis Sinai. Immer wieder standen sie vor bedrohlichen Situationen und mussten sich bewähren, mussten zeigen, was in ihrem Herzen war:

“Du sollst immer daran denken, wie Jehowah dich diese vierzig Jahre lang in der Wüste umherziehen ließ, um dich demütig zu machen und dich auf die Probe zu stellen. Er wollte deine Gesinnung erkennen und sehen, ob du seine Gebote halten würdest oder nicht.” (5. Mose 8:2)

Wer den Bericht über diese Wanderung liest, stellt immer wieder fest, dass es den meisten Juden an Glauben oder Vertrauen mangelte. Am Ende wurde es offenbar: Die meisten “kehrten in ihrem Herzen nach Ägypten zurück”. Sie waren für die Befreiung und das verheißene Land nicht dankbar. Sie haben die Probe nicht bestanden und eine ganze Generation hat das verheißene Land nicht erreicht. Aus ihrer kollektiven Erfahrung kristallisierte sich der Satz: “Der Gerechte wird durch Glauben gerettet!” Und Glauben bedeutet eigentlich Vertrauen auf Gott, bedingungsloses Vertrauen ohne jede Einschränkung.

Aber warum werden die Kinder Gottes geprüft?

Der himmlische Vater weiß doch alles (siehe Psalm 139). Warum sollte er mich auf die Probe stellen? Weiß Gott wirklich alles? Da der Mensch die Freiheit der Entscheidungen hat, kann Gott nicht im Voraus wissen, wie ein Mensch sich entscheiden wird. Wollte er es wissen, dann wäre der Mensch in seiner Entscheidung nicht mehr frei. Er müsste dann so handeln, wie Gott es voraus gesehen hat. Neben diesem Problem gibt es noch ein anderes, auf das der Teufel uns aufmerksam macht: Im Fall “Hiob” unterstellt der Satan dem Menschen, der Gott dient, nur Selbstsucht, weil er dadurch Vorteile hat. Satan unterstellt Gott und den Menschen, einen für beide Seiten vorteilhaften “Handel” abzuschließen: Gott kaufe sich die Liebe der Menschen und Menschen verkaufen sie an Gott, um gewisser Vorteile willen. Aber ist käufliche Liebe dann noch Liebe? Die Käuflichkeit widerspricht dem Wesen der Liebe (agape), denn sie ist durch und durch uneigennützig! Die Liebe ist treu, treu zu Gott und seinem Gesetz.

Hiob und seine Ankläger

Lese ich im Buch “Hiob”, dann sehe ich, dass Hiob schrecklich gelitten hat! Und er weiß, dass Gott seiner Qual zusieht. Der arme Mensch versteht das nicht. Warum kann Gott zusehen, wie sein Kind leidet? Welcher Sinn liegt darin?Seine Bekannten versuchen eine “Erklärung” und unterstellen Hiob, dass er wegen verborgener Sünden leiden muss. Sie lassen von diesem Vorwurf nicht ab, so oft Hiob auch ihre schiefen Argumente widerlegt. Aus den Reden der drei Ankläger entnimmt man, woher sie u. a. ihre Weisheiten hatten. Im Zentrum steht eine freche, verleumderische Anklage gegen Gott. Einer von ihnen sagte:

“Ein kalter Hauch berührte mein Gesicht, die Haare standen mir zu Berge. Da stand er, den ich nicht kannte. Vor meinen Augen war eine Gestalt, und ich hörte ein Flüstern:

“Kann ein Mensch gerecht sein vor Gott, ein Mann vor seinem Schöpfer rein? Selbst seinen Dienern traut er nicht, wirft auch seinen Engeln Irrtum vor; wie viel mehr dann den Geschöpfen aus Lehm, die aus dem Staub hervorgegangen sind, die man wie Motten zerdrückt, die man von Morgen bis Abend erschlägt? Unbeachtet gehen sie für immer dahin. Gott bricht ihre Zelte ab, sie sterben und wissen nicht einmal wie.”” (Hiob 4:15-21)

Steht Gott tatsächlich so zu den Menschen? Wenn der böse Geist Recht hätte, dann lohnte es sich nicht, an Gott zu glauben, dann wäre man nur der Willkür ausgeliefert und Gott hätte nichts, auch gar nichts mit Liebe, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zu tun! Denn im Prinzip sagt der Böse ja, dass Gott die Menschen nicht liebe, denn er sei ein misstrauischer und rachsüchtiger Gott.

Aber der arme Hiob hat in seinem Leben eine ganz andere Erfahrung mit Gott gemacht. Und was seine Besucher ihm vorwerfen, ist keine Erklärung für sein Leiden, sondern eher eine Verhöhnung Gottes und der Leiden Hiobs.

Hiob war weder käuflich noch erpressbar!

Und sie behaupten weiter, dass es einem Gerechten gut geht, solange er Gott gehorcht. Sie schlussfolgern also, dass Gott gute Taten unbedingt belohnt. Dabei vergessen sie, dass Hiob ein grundsatztreuer Mensch ist. Gerechtes Handeln ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. Dabei denkt er nicht an Belohnung oder Ehre. Er tut es, weil er es so für richtig hält! Er handelt nicht gerecht, weil er belohnt werden will. Mit dieser festen Haltung steht er im krassen Gegensatz zum Teufel, der ja das Gegenteil behauptet hatte. Und weil sich Hiob nicht auf diese Vorwürfe einlässt, beweist er, dass er nicht käuflich ist! Genau das Gegenteil hatte der Teufel im Gespräch mit Gott behauptet: “Ist Hiob etwa umsonst so gottesfürchtig? Du beschützt ihn doch von allen Seiten, sein Haus und alles, was er hat! … Versuch es doch einmal und lass ihn alles verlieren, was er hat! Ob er dir dann nicht ins Angesicht flucht? … Haut um Haut! Alles, was der Mensch hat, gibt er um sein Leben.” (Hiob 1:10, 11; 2:4) Diese letzte Behauptung mag auf die meisten Menschen zutreffen, denn immer wieder zeigen sie ja, dass die Angst vor dem Tod sie sogar zu den unmenschlichsten Taten pressen kann. Aber auf Christen darf das nicht zutreffen! Sie würden sonst ihre gerechten Grundsätze verkaufen und verleugnen.

Und dabei frage ich mich, ob ich auch so fest wie Hiob wäre, wenn ich den Verlust von allem Materiellen, meiner Kinder und meiner Gesundheit hinnehmen müsste? Wäre ich durch Todesangst erpressbar? Wie ich schon angedeutet habe, ist man in der Theorie immer gut, aber in der Praxis kann sich ein anderes Bild ergeben. Wenn ich aber genau wissen will, wer ich wirklich bin, muss ich entsprechende Prüfungen bestehen. Dann erst offenbart sich, was in meinem Herzen ist und wie fest mein Vertrauen auf Gott ist. Und erst dann weiß ich mit dem Herzen, wo meine Schwächen sind. Dann erst wird deutlich, was Gott für mich ist.

“Mein Gott! Mein Gott! Warum hast du mich verlassen?”

Auch Jesus war nicht käuflich! Er hat in seinem Sterben eine Prüfung bestanden, die an seiner grundsätzlichen Treue zu seinem Gott keinen Zweifel mehr zulässt. Seine Prüfung war so schwer, dass er sogar darum bat, sie nicht bestehen zu müssen. Aber er hat das nicht gefordert, sondern betont, dass allein Gottes Wille geschehen sollte. Und so kam es auch: Er hatte furchtbare Angst und schwitzte Blut und Wasser. In seiner schwersten Stunde kamen Engel und stärkten ihn. Trotzdem musste er ganz allein und für alle sichtbar beweisen, dass er bedingungslos an seinen Vater glaubte. Es kam auch soweit, dass er den Psalm 22 zitierte und rief: “Mein Gott! Mein Gott! Warum hast du mich verlassen?” Ich kann mir das jetzt nicht vorstellen, wenn ich in derselben Lage wäre. Ich würde wohl den Verstand verlieren, wenn ich das Gefühl haben müsste, von Gott verlassen worden zu sein. Aber Jesus war in dieser schrecklichen Einsamkeit! Ich kann daraus nur schlussfolgern, dass er seinem Vater auch dann treu sein wollte, wenn er seine helfende Hand und seinen direkten Trost nicht hatte. So wollte er dem Widersacher Gottes und der ganzen Schöpfung zeigen, was ein Glaube vermag, der nicht durch die Erpressung mit Todesfurcht erschüttert werden kann. Interessant war für mich dann auch noch die Bemerkung des Apostels Paulus:

“Weil Gott viele Menschen als seine Kinder in die Herrlichkeit führen wollte, hat er den Wegbereiter ihrer Rettung durch Leiden vollkommen gemacht.“ … Als Jesus noch hier auf der Erde lebte, hat er unter Tränen und mit lautem Schreien gebetet und zu dem gefleht, der ihn aus der Gewalt des Todes retten konnte. Und wegen seiner ehrerbietigen Scheu vor Gott wurde er auch erhört. Obwohl er Gottes Sohn war, hat er an dem, was er durchmachen musste gelernt, was Gehorsam bedeutet.” (Heb. 2:10; 5:7, 8)

Auch Christen werden durch Leiden vollkommen gemacht – und erzogen!

In seiner Botschaft an die Versammlung Smyrna sagt Jesus: “Es werden noch manche Leiden auf dich zukommen. Der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis bringen, um euch auf die Probe zu stellen, und ihr werdet zehn Tage lang Schweres durchmachen. Hab keine Angst davor und bleibe mir treu, selbst wenn es dich das Leben kostet. Dann werde ich dir als Ehrenkranz das ewige Leben geben. ” (Off. 2:10)

Immer wieder sagt Jesus, dass man als sein Nachfolger leiden muss, aber dabei keine Angst haben sollte, weil man nicht allein gelassen wird. Da spielt es keine besondere Rolle, ob es Verfolgung durch Feinde ist, oder nur das allgemeine Leben mit seinen Problemen und Krankheiten. Das alles muss ein Christ und Kind Gottes in dieser Welt als Prüfung seines Glaubens sehen. Aber es geht dabei nicht nur um Glaubensprüfungen, sondern auch um eine Erziehung zur Gerechtigkeit Gottes! Der Allmächtige hat seine Kinder einem Erzieher anvertraut; Jesus ist unser Erzieher geworden.

“Habt ihr denn ganz vergessen, was Gott zu seinen Kindern sagt: ‘Mein Sohn, missachte nicht die strenge Hand des Herrn, werde nicht mutlos, wenn er dich zurechtweist. Denn es ist doch so: Wen der Herr liebt, den erzieht er streng, und wen er als Sohn annimmt, dem gibt er auch Schläge.’ Was ihr ertragen müsst, dient eurer Erziehung. Gott behandelt euch so, wie ein Vater seine Söhne.” (Heb. 12:5-7)

Alles, ob Prüfung oder Erziehung, geschieht unter dem Blick des Himmels und dient einem hohen Ziel! Kein Schmerz, kein Leid, keine Angst und keine Verzweiflung bleibt unbemerkt! Wir können nur hoffen, nicht allein gelassen zu werden, können nur hoffen, zur richtigen Zeit auch die Kraft, Einsicht und Stärke zu bekommen, damit wir den Kampf bestehen. Und hier kommt es darauf an, der Zusicherung Gottes und seines Sohnes wirklich zu vertrauen. Ich finde es sehr wichtig, zu wissen, dass ich unter dem Blick Gottes bin! Er ist Zeuge meines Leidens, meiner Treue, meiner Liebe zu ihm! Und ich bin mir ganz sicher, dass ich wie Hiob sagen will:

“Ich weiß, dass mein Erlöser lebt! Er steht am Schluss über dem Tod. Nachdem man meine Haut so sehr zerschunden hat, werde ich auch ohne mein Fleisch Gott schauen. Ich selbst werde ihn sehen, ja , meine Augen schauen ihn, er wird kein Fremder für mich sein. Ich sehne mich von Herzen danach!“ (Hiob 19:25-27)

Es ist bemerkenswert, dass hier ein Mensch, der meinte, von Gott verfolgt worden zu sein, so denkt! Hat er geahnt, dass er sich irren könnte? Er hat Gott falsch gesehen, denn die Ursache seines Leidens war ja nicht Gott, sondern der Teufel. Er verstand seinen Gott nicht und musste lernen, dass man Gott unter allen Umständen vertrauen darf, auch wenn man nicht immer alles versteht! Vertrauen steht weit über Verstehen, wenn es um Gottes Liebe und um seine Gedanken geht. Gott muss mir nicht alles haarklein erklären. Er darf verlangen, dass ich davon überzeugt bin, dass seine Liebe zu mir genau das veranlassen wird, was für mich gut ist. Auch wenn ich durch die “Wildnis Sinai” ziehen muss, sind Gott und Jesus bei mir und werden mich zum Ziel führen. Aber ich muss auch unter Prüfungen beweisen, dass ich mich in meinem Vertrauen auf Gott nicht erschüttern lassen werde. Denn am Ende läuft es auf das hinaus, was Petrus geschrieben hat:

“Und weil ihr an ihn glaubt, wird Gott euch durch seine Macht für die Rettung bewahren, die schon bereit liegt, um dann in der letzten Zeit offenbar zu werden. Deshalb jubelt ihr voller Freude, obwohl ihr jetzt für eine Weile den unterschiedlichsten Prüfungen ausgesetzt seid und manches Schwere durchmacht. Doch dadurch soll sich euer Glaube bewähren und es wird sich zeigen, dass er wertvoller ist als das vergängliche Gold, das ja auch durch Feuer geprüft wird. Denn wenn Christus sich offenbart, wird auch die Echtheit eures Glaubens sichtbar werden und euch Lob, Ehre und Herrlichkeit einbringen.” (1. Pe. 1:5-7)

Veröffentlicht von Tilo

Ein alter Mann, der lange Zeit ein Zeuge Jehovas war und dieser Kirche aus Gewissensgründen den Rücken kehrte. Heute stehe ich allen Kirchen misstrauisch gegenüber, denn glauben kann man nur allein. (amenuensor@aol.com)

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