Nachtgedanken

…. warum habe ich mein Menschentum bewahren können?

Seit ein paar Tagen hat das alte Grauen einen neuen, zusätzlichen Namen: Butscha in der Ukraine. Zu den vielen Namen aus der Vergangenheit, die alle für das entsetzliche und grauenvolle Verbrechen des Menschen am Mitmenschen stehen, kam ein neuer hinzu. Und es wird nicht der letzte sein. Über die ganze Welt ziehen sich die Namen der Entsetzensorte, und die Menschheit wird des sinnlosen Abschlachtens von Menschen nicht müde, bekommt nicht genug von Morden, Folter, Vergewaltigung Raub und Krieg. 

Ich sehe an diesen Orten junge Männer, kaum lebenserfahren und eigentlich noch halbe Kinder. Und doch sind sie schwerster Verbrechen fähig? Das ist beinahe unglaublich und lässt darauf schließen, dass alles Menschliche in ihnen verschüttet ist. Wie kommt es dazu? Und was mich noch mehr interessiert: Wie steht es mit mir? Warum bin ich nicht so verroht?

Ich meine ein Christ zu sein. Aber wie stark ist der Firnis auf der Oberfläche? Lauert nicht auch in mir ein Abgrund unter der Oberfläche? Wäre ich unter Druck und Menschenfurcht, unter böser Propaganda und gewissenlosen Leuten nicht in der gleichen Lage wie die jungen Mörder?  Das könnte sein. Aber was hat mich daran gehindert, so zu werden, dass ich für die bösen Pläne der Herrschenden brauchbar wäre? Was hat bisher verhindert, dass ich meine Menschlichkeit, meine Liebe und meine Ehrlichkeit nicht verloren hätte? Warum war ich bisher mutig genug, “Nein!” zu sagen? Was hat mich bisher davor bewahrt, durch mich selbst und andere verführt zu werden? 

Im Hinblick auf den Krieg wurde in meiner frühen Kindheit eine Weiche gestellt: Im dritten Lebensjahr hatte ich als Zuschauer ein Kriegserlebnis, dass sich meinem Bewusstsein eingebrannt hat. Dieses Bild, dessen Bedeutung ich etwas später verstand, beeindruckte mich so tief, dass ich schon als Kind beschloss, nie an einem Krieg teilzunehmen. Aber es war nicht nur das schreckliche Bild, das mich daran hinderte zu verrohen, aber damit scheint es begonnen zu haben. 

Wenn ich über mich nachdenke, dann muss es an meinem Glauben liegen. Aber was ist Glaube? Ich stellte mir diese Frage, um festzustellen, worauf es für mich  ankommt, wenn ich sage: “Ich glaube an Gott!” Bibelkundige Menschen zitieren dabei gerne aus dem Hebräerbrief, Kapitel 11:1, wo gesagt wird, dass Glaube ein Überzeugtsein von Wirklichkeiten ist, die man nicht sieht. 

Es geht also um Wirklichkeiten, die man nicht sieht. Aber was sind Wirklichkeiten für uns Menschen? Ist der Mensch nicht in der Lage, sich alles einzubilden und dies für Wirklichkeiten zu halten? Ist der Glaube allein über die “unsichtbaren Wirklichkeiten”  schon definiert? Es kommt ja wohl darauf an, was man als Wirklichkeit anerkennt.

Ich bin auf die seltsamsten und auch furchtbarsten Glaubensvorstellungen gestoßen die von denen, die sie praktizierten als Wirklichkeiten gesehen worden sind. Und aus der Geschichte ist mir bekannt, wie in südamerikanischen Hochkulturen mit ihrer Sonnenanbetung die “Wirklichkeit” ausgesehen hat. Man glaubte, dass die Götter nur dann eine gute Ernte gewähren würden, wenn man ihnen blutige Menschenopfer brachte. Opfer waren zumeist Kriegsgefangene. Man zog also gegen die Nachbarn in den Krieg, um seinen Göttern opfern zu können, damit sie im Tausch eine gute Ernte gaben. Hier ist durch die Religion das grausame, menschenverachtende Opfern “geheiligt” worden! Etwas ähnliches findet man bei den Juden des Alten Testaments. Der Prophet Hesekiel berichtet:

“Ja, dadurch, dass ihr ihnen eure Gaben bringt und eure Kinder als Opfer verbrennt, besudelt ihr euch an euren Scheusalen. Und da soll ich mich von euch befragen lassen, ihr Israeliten? So wahr ich lebe, spricht Jehowah, der Herr: ‘Von mir bekommt ihr keine Auskunft!’” (Hes. 20:37)

Sie hatten also eine Form der Gottergebenheit, aber sie war ohne gute Frucht. Bei Jesaja und Jeremia wird uns berichtet, wie sie im Tempel zu Jerusalem die täglichen Opfer brachten, die Reinheitsgebote einhielten, kurz, der Form genügten. Aber was hatte dies mit Glauben zu tun? Gewiss, von dem was sie sich einbildeten, waren sie überzeugt und meinten, es mit der Wirklichkeit zu tun zu haben. Ob das aber vor ihrem Gewissen und vor der Vernunft bestehen konnte, ist eine ganz andere Frage. Gott jedenfalls handelte und – lieferte sie ihren eigenen Gedanken aus: 

“Da lieferte ich sie Ordnungen aus, die es ihnen unmöglich machten, am Leben zu bleiben!” (Hes. 20:37)

“Und weil sie es nicht für gut hielten, Gott anzuerkennen, lieferte sie Gott einem verworfenen Denken aus, so dass sie tun, was man nicht tun darf.” (Rö.1:28)

Unsere Taten entsprechen unserem Denken; böse Gedanken  können böse Taten zur Folge haben. Im Zitat aus dem Brief an die Römer steckt der Gedanke, dass Gott die Menschen, die sich nicht an seine Gebote halten wollen, einem verworfenen Denken ausliefert, das dann zu schlechten Taten führt. Wenn es so ist, dass Gott sie “ausliefert”, dann kann das auch bedeuten, dass er jene, die seine Gebote halten wollen, dabei unterstützt! Denn um ein gutes und gerechtes Gebot halten zu können, bedarf es mehr als es nur zu wissen. 

Der Grund dafür, dass Gott sie ihrem verworfenen Denken auslieferte, wird auch genannt:

“Trotz allem, was sie von Gott wussten, ehrten sie ihn nicht als Gott und brachten ihm keinerlei Dank. Stattdessen verloren sich ihre Gedanken im Nichts und in ihren uneinsichtigen Herzen wurde es finster.” (Rö. 1:21)

Sie hatten also kein gutes Verhältnis zu Gott! Sie kannten ihren eigentlichen Vater im Himmel nicht. Sie kannten ihn nicht, weil sie ihn nicht kennen wollten, weil sie seine Stimme, die jeder Mensch in sich “hören” kann, ignorierten. Mindestens ihr Gewissen hätte sie warnen und leiten können, denn dazu hat der Mensch es von Gott bekommen. 

Beschützt Gott also mein Denken? Und bewahrt er dadurch mich? Ich sinne schon lange darüber nach und komme zu keinem anderen Schluss: Seit ich angefangen habe Gott zu vertrauen, weiß ich sicher, dass mein Denken und Fühlen von ihm überwacht wird. Zu oft habe ich bemerkt, dass ich im Wirrsal meiner Empfindungen, Irrtümer und Gedanken einen Wegweiser hatte. Und wie viele falsche und gefährliche Ideen sind auf mich eingedrungen? Ich will ja nicht vergessen, dass diese Welt Gott nicht kennt und sich mit wichtigtuerischer Propaganda rechtfertigen will. Alles schreit: “Es gibt keinen Gott! Du bist frei! Du musst dich nicht vor Gott verantworten!”  Warum bin ich nicht ein Opfer dieser teuflischen Propaganda geworden?

Und nicht nur die innere Stimme warnte mich! Ich habe auch die Kraft und den Mut bekommen, dieser inneren Stimme zu folgen und der gottfeindlichen Propaganda zu widerstehen, indem ich mich durch Gottes Geist leiten ließ.

Ich muss dieses liebevolle Handeln Gottes mit mir als Gnade ansehen. Es ist nicht mein Verdienst; es ist nicht, weil ich ein guter Mensch bin, sondern weil Gott Liebe und Barmherzigkeit ist! Und in  seiner Liebe ist er auf der Suche nach Menschen, die ihn suchen. Und hat er sie gefunden, dann schenkt er  ihnen seine Gnade, weil er das Gute in ihnen wachsen lassen will. Er hilft ihnen, sein heiliges Gesetz zu verstehen (Ps. 119:34: “Gib mir Verstand für dein Gesetz, ich will es entschieden befolgen.”) Und damit fördert er alles, was gut, gerecht und liebenswert ist, alles, was wahr ist und dem wahren Leben dient. Dazu gibt Gott seinen Kindern die Kraft zum Guten, seinen Schutz und eine ganz enge, persönliche Beziehung, sodass sie aufrichtig “Vater” zu ihm sagen können. Weil sie seine Kinder sind, gibt er ihnen Glauben, Hoffnung, Liebe und Barmherzigkeit. Er rüstet sie aus für ein Leben als Schafe unter Wölfen. 

Der ganze 119. Psalm handelt vom Ringen eines Menschen um ein gutes, friedliches Verhältnis zum Schöpfer. Der Betende betont immer wieder, dass er das göttliche Gesetz über alles liebt, dass er seinen Wert kennt und weiß, dass es ewiges Leben für den bedeutet, der sich ihm verpflichtet fühlt. Diese Gesetzestreue verlangt von ihm, Gott zu kennen, ihn zu lieben und zu respektieren. Sein Gottesdienst ist keine leere Zeremonie, kein Ritus, keine Pflichtübung. Es ist das verantwortungsvolle Leben in enger Verbindung mit Gott. Aus vielen Versen erfährt der Leser, mit welchen Problemen und Gefahren der Betende es zu tun hatte. Und immer wieder betont er, dass ohne die aktive Hilfe Gottes gar nichts möglich ist. Aufschlussreich sind die abschließenden Worte des Psalms, die diese Abhängigkeit von Gott deutlich machen:

“Meine Seele soll leben und dich loben! Deine Bestimmungen sollen mir helfen! Ich bin umhergeirrt wie ein verlorenes Schaf. Suche deinen Knecht! Denn deine Gebote habe ich nicht vergessen.”

In seiner Weisheit hat Gott seinen Sohn Jesus Christus ausdrücklich als Hirten seiner Schafe eingesetzt. Und Jesus betonte, dass niemand in der Lage sei, sie aus seiner Hand zu reißen! Keines seiner Schafe soll verloren gehen, denn sie sind in seinen Augen kostbar. Er tritt für sie ein, er beschützt ihr Leben und sorgt dafür, dass ihre Liebe nicht erkaltet und der Glaube nicht stirbt, obwohl all dies in dieser Welt eigentlich keine Heimat hat. Und damit habe ich für mich die Frage beantwortet, warum ich glauben darf und so kein Teil dieser verfluchten Welt bin.

Ich will mich gewiss nicht über andere Menschen stellen, wenn ich anerkenne, dass ich von Gott durch seinen Sohn auf einem sehr guten Weg geführt werde. Ich gehe ihn mit Freude! Ich bin dankbar und erhebe meinen himmlischen Vater im Herzen. Ich will ihn ehren, indem ich seine Hilfe immer wieder in Anspruch nehme, indem ich versuche, Recht zu üben, Güte zu lieben und bescheiden mit ihm zu leben (Micha 6:8)!

Befreiung!

Jesus: „Aber ihr sollt euch aufrichten und euren Kopf heben, wenn das alles beginnt.

Denn eure Rettung kommt bald!“

Ich habe noch nie eine Zeit wie diese erlebt. Und es gehen einem die passenden Worte aus, wollte man sie beschreiben. Es ist über die Zeit des 20. Jahrhunderts alles gesagt und geschrieben worden. Welche Katastrophe ist nicht geahnt und hereingebrochen? Alles, was sich früher im 19. Jahrhundert am Horizont schemenhaft zeigte, ist brutale Wirklichkeit geworden. Was bleibt da noch zu schildern? Wir sind “am Ziel, wir sind am Ende”! Es sind vielleicht nur noch quantitative Steigerungen des Bösen vorstellbar, aber was hilft das? Es hilft mir wenig, wenn ich in der Bibel lese, dass die Zeiten vor dem Untergang schwierig sein werden. Für mich heißt die Frage: 

Wie kommen ich damit zurecht, ohne den Glauben an Gott zu verlieren?

Denn diese Zeit belastet auch Menschen, die Glauben haben, weil “ihre Seele wegen all der gesetzlosen Taten” täglich gequält wird. So wird es uns aus der Bibel von Lot berichtet, der in Sodom lebte. Er hatte die Hoffnung auf das Reich Gottes, aber er war eben auch nur ein Mensch mit Gefühlen und Gewissen, ein Mensch, der die Verhältnisse mit den Augen des Glaubenden sah – und von allem angewidert war. Aus eigener Erfahrung, die er mit seinem Gott gemacht hatte, war ihm deutlich geworden, dass die Menschen so roh und gesetzlos nicht von Natur aus waren, sondern durch einen bösen Einfluss so geworden sind. Sie hatten sich gegen Gott entschieden. Das war der Grund für ihr Verhalten. 

Soll man sich über die Bösen aufregen?

Und Lot musste unter ihnen leben. Wie hat er das ausgehalten? Ich weiß es nicht genau, aber ich kann sagen, wie ich es aushalten will. Und ich muss sagen, dass es für mich nur einen Weg gibt um nicht an Körper und Seele krank zu werden, um nicht den Verstand zu verlieren: Es ist der gute Einfluss meines Vaters im Himmel und die Hilfe durch Jesus Christus. 

Oder sollte man selbst tätig werden und dem Krieg den Krieg erklären? Von vielen Seiten wird man aufgefordert, gegen alles mögliche zu protestieren. Revolutionen, Demonstrationen und Proteste gegen den Krieg hat es schon zu viele gegeben, zu viele nach meiner Meinung, um noch an den Erfolg glauben zu können. Trotz aller Proteste ertrinkt die Welt im Blut. Nein, wir haben es nicht geschafft, uns eine friedliche Welt aufzubauen! Alle meine Hoffnungen auf die Bemühungen des Menschen sind gestorben. Und ich muss es akzeptieren, dass sich tatsächlich die Prophetie der Bibel erfüllt.

Wie gehe ich also damit um? Ich flüchte mich in das Wort Gottes, das besonders in dieser dunklen Zeit ein Licht für meinen Weg ist. Einen grundsätzlichen Rat finde ich im Psalm 37, aus dem ich auszugsweise zitiere:

“Rege dich nicht über die Bösen auf, beneide die Verbrecher nicht!

Sie verdorren schnell wie das Gras, welken wie das grüne Kraut.

Vertraue auf Jehowah und tue das Gute, wohne im Land, sei ehrlich und treu.

Erfreue dich an Jehowah!

Er gibt dir, was dein Herz begehrt.

Lass Jehowah dich führen! Vertraue ihm, dann handelt er.

Er wird dein Recht aufgehen lassen wie das Licht, 

deine Gerechtigkeit wie die Sonne am Mittag. 

Sei still vor Jehowah und warte auf ihn!

Reg dich nicht über den auf, dem alles gelingt, über den, der seine Pläne ausführt.

Steh ab vom Zorn und lass den Grimm! Reg dich nicht auf! Das führt nur zum Bösen.

Demütige Menschen erben das Land und werden sich am Frieden erfreuen. 

Jehowah kennt das Leben der Seinen, ihr Erbe hat ewig Bestand.

In böser Zeit enttäuscht er sie nicht, in Hungertagen werden sie satt.

Wer Gottes Willen tut, spricht Worte der Weisheit; er sagt, was recht ist vor Jehowah.

Die Weisung seines Gottes trägt er im Herzen , er bleibt fest auf dem richtigen Weg.

Achte auf geradlinige Menschen, sieh dir die Ehrlichen an, denn ein Mann des Friedens hat Zukunft. Doch die, die Gott verachten, werden ausgelöscht.” 

Man muss diese Worte laut und langsam lesen und über sie nachdenken. Dann wird einem klar, wie wichtig sie heute für den inneren Menschen sind. Natürlich lassen uns die herrschenden Verhältnisse nicht kalt, aber wer den Worten Gottes vertrauen kann und darf, der weiß, wer für ihn allein maßgeblich ist und bei wem er Hilfe und Rettung finden kann. Diese Zusicherungen Gottes sind kein leeres Gerede sogenannt frommer Menschen. Sie sind Gottes eigene Worte, die er durch Jesus übermittelt hat. Und sie sprechen unbedingt jeden an, der Gottvertrauen gelernt hat und weiß, wem er sein Herz und sein Vertrauen geschenkt hat. In diese Gedankengänge passen auch noch andere Texte der Bibel:

Schutz unter Gottes mächtiger Hand

“Demütigt euch deshalb unter Gottes mächtige Hand, dann wird er euch auch zur richtigen Zeit erhöhen. Und werft alle eure Sorgen auf ihn, denn er sorgt sich um alles, was euch betrifft.” (1. Pe. 5:6, 7)

“Macht euch keine Sorgen, sondern bringt eure Anliegen zusammen mit Bitte und Danksagung vor Gott. Und sein Frieden, der alles menschliche Denken weit übersteigt, euer Innerstes und eure Gedanken beschützen, denn ihr seid ja mit Jesus Christus verbunden.” (Phil. 4:6, 7)

In den letzten Monaten habe ich immer deutlicher erfahren, wie wichtig der Frieden Gottes für mich ist. Es ist der Frieden, der alles Denken übersteigt. Wer die täglichen Nachrichten und die entsprechenden Meinungen dazu wahrnimmt, könnte seinen Frieden verlieren, weil er in Angst und Sorgen stürzt. Die Informationen z. B. über den Krieg in der Ukraine sind so widersprüchlich, dass man annehmen muss, dass die Menschen durch sie in den Wahnsinn gehetzt werden sollen. Wem soll man glauben, wem nicht? Zweckpropaganda ist überall zu finden. Jeder belügt jeden. Jeder verfolgt irgendein dunkles Ziel und lügt dafür. 

Wer sich darauf einlässt, kann seinen inneren Frieden verlieren, der ja darauf beruht, dass er mit dem Herzen weiß, dass dieser Frieden ein Geschenk Gottes ist, das die Welt nicht hat. Dieser Frieden Gottes läßt den Menschen des Glaubens in Sicherheit sein, denn er weiß ja, dass er in oder unter Gottes Hand beschützt und geborgen ist. Er weiß, dass er eine Zukunft hat, eine ewige Zukunft im Reich Gottes. Das will unser Vater im Himmel uns deutlich machen. Wenn wir seinem Versprechen vertrauen, dann wird ein Frieden uns beherrschen, der uns einfach gewaltig und wunderbar vorkommt. Wir erleben an uns die Erfüllung seiner Worte! Wir spüren es mit allen Fasern unseres Seins!

Wer sich unter die Hand Gottes erniedrigt, weiß um seine eigene Machtlosigkeit. Er weiß, dass der Gerechte an den Verhältnissen dieser Welt mit allem guten Willen nichts ändern kann, weil die Grundordnung der Welt zerbrochen ist (Ps. 11:3). Denn die Grundordnung unseres Lebens ist die Gottverbundenheit. Ohne sie wird es weder Frieden, noch Gerechtigkeit noch ewiges Leben geben. 

Wie  muss ich mich verhalten?

Der eigenen Machtlosigkeit gegenüber den bösen Gewalten dieser Welt kann ich nur meine Gottverbundenheit entgegensetzen, die sich im ständigen Gebet um die Nähe zu Gott bemüht. Täglich muss ich um die lenkende, positive Kraft des heiligen Geistes bitten, weil ich weiß, dass ich Gott wirklich brauche, um nicht im Chaos zu versinken. Dann kann ich den ganzen Schmutz, der mich umgibt und meinen Glauben ersticken will, ‘draußen’ lassen. Dann kann ich meinen Blick auf die Zukunft der Kinder Gottes richten. Dann kann ich mich freuen!

Aber das wird mir nur möglich sein, wenn ich mich aus allen Streitereien und Meinungskämpfen heraus halte. “Alle Menschen sind Lügner” und “die ganze Welt liegt in der Macht des Bösen”. Wenn ich diese Tatsachen aus der Bibel akzeptiere, dann kann ich für niemanden Partei ergreifen. Ich bin in diesem Meinungskrieg gezwungen, mich an die einzige Wahrheit zu halten, die es für die Jünger Jesu gibt: Das Wort Gottes. Sollte ich mich doch einmischen wollen, dann würde ich meinen Frieden verlieren. Dann verlöre ich auch den Schutz, der meinen Geist und damit meinen Glauben behütet. Und das kann fatale Folgen haben, nämlich den Verlust des Glaubens.

Ich habe eingesehen, dass diese Welt nicht zum Guten veränderbar ist! Sie wird untergehen, wie es die Bibel deutlich sagt. Jede Anstrengung, die auf eine wesentliche Veränderung zum Guten zielt, muss unwirksam verpuffen. Das ist die Summe der Geschichte. Ändern kann man nur sich selbst unter dem Einfluss Gottes. Diesen Einfluss kann sich ein Mensch zunutze machen, aber Ich kann niemand dazu überreden, der göttliche Moral zu folgen. Ich kann nur Wegweiser sein. Denn um der Moral Gottes zu gehorchen, braucht man ein persönliches Verhältnis zu ihm, also Gottverbundenheit. Aber wie schon zitiert, ist diese Grundordnung zerbrochen. 

Meine Konsequenz

Für mich kommt es nur noch darauf an, mit Gott zu leben. Dazu gehört z. B. Dankbarkeit. Und so reduzieren sich meine Gebete zuerst auf Danksagung, denn ich habe viele Gründe dafür. Dankbarkeit bringt mich dazu, gut über meinen Vater im Himmel zu denken und zu reden. Sie bringt mich dazu, über meine Vergangenheit nachzudenken um festzustellen, dass ich an Gottes Hand gegangen bin. Das gibt mir heute Frieden, Freude und Zuversicht. Und es nimmt mir die Angst:

“Was ich euch hinterlasse, ist mein Frieden. Ich gebe euch einen Frieden, wie die Welt ihn nicht kennt. Lasst euch nicht in Verwirrung bringen, habt keine Angst.” (Joh. 14:27)

Es ist mir ein Bedürfnis geworden, Jesu Worte zu beherzigen. Er machte auch deutlich, wie lebenswichtig die Verbundenheit mit ihm ist. In der Parabel vom Weinstock und seinen Zweigen macht er auf diese Notwendigkeit aufmerksam:

“Bleibt in mir und ich bleibe in euch! Eine Rebe kann nicht aus sich selbst heraus Frucht bringen; sie muss am Weinstock bleiben. Auch ihr könnt keine Frucht bringen, wenn ihr nicht mit mir verbunden bleibt.”   (Joh. 15:4)

Diese enge Verbindung mit dem Sohn Gottes, der auch mein persönlicher Hirte ist, gibt mir die Kraft zur Liebe, zum Hoffen, zum Glauben und den nötigen Mut. Es ist mir bewusst, dass ich wegen meiner Treue zu Gott mein kleines Leben verlieren kann. Was ich aber nicht durch Menschen verlieren werde, ist das ewige Leben:

“Habt keine Angst vor denen, die nur den Leib töten, dem Leben (der Seele) aber nichts anhaben  können.” (Mat. 10:28)

So habe ich zu dem, was in der Welt geschieht, nichts mehr zu sagen. Ich kann schweigen und ruhig sein. Ich kann  auf Gott warten.

Nachtgedanken

Und wieder einmal bin ich wach geworden. Ein Traum wirkt nach: Ich ging mit meiner kleinen Frau Hand in Hand durch eine schöne Stadt.  Ein tiefes Glücksgefühl durchrieselte mich. Doch plötzlich war meine Frau verschwunden. Ich suche nach ihr und irre durch die Stadt. Ich kann sie nicht finden. Angst beherrscht mich. Ich gerate in Panik und erwache, stehe auf und denke weiter an den schlimmen Traum. Es ist nicht das erste Mal, dass ich diese Szene träume.

Wo ist die Zeit nur geblieben? Seit ich vor fast 44 Jahren meine kleine Frau geheiratet habe, ist das Leben wie im Traum vergangen. Vor über vier Jahrzehnten dachte ich daran, dass ich nun die Zeit doppelt lebe. Und so ist es auch gekommen: Ich habe ein Leben in mir gelebt und eines in ihr. Wir sind zusammen alt geworden und gemeinsam gereift und gewachsen. 

Und nun stehen wir beinahe vor dem Abschied! Unerbittlich vergeht die Zeit und wir mit ihr. Wir haben – leider – begriffen, wie vergänglich wir sind. Daran mag ich nicht denken. Aber ich kann dieser Tatsache nicht ausweichen und muss mich damit abfinden. 

Das Leben mit ihr war tief und bereichernd, denn ich habe einen Menschen an meiner Seite, den ich über alles wertschätze. Und manchmal denke ich, dass ein Geschenk ist, so einen lieben, aufrechten Menschen um mich zu haben. Es ist einfach nur schön! Es war beglückend, mit ihr Kinder zu haben und sie aufwachsen zu sehen. Und sie hat ihre Kinder mit viel Herzblut groß gezogen. Sie hat viel geliebt und kann auch heute, wo die Kinder uns fast fremd geworden sind, nicht anders.

Wie oft habe ich dies beobachtet: Wenn meine Frau Liebe schenkte, dann begann es zu blühen. Es war wie die erste Frühlingssonne, die mit ihren segnenden Strahlen die Natur zum Blühen brachte! Sie ist voller Mitgefühl für andere. Ihre Anteilnahme überwindet Grenzen. Vor meinem inneren Auge ziehen viele schöne Bilder vorbei, und ich kann nur sagen, dass es berauschend schön war, viel zu schön, um sie vergessen zu können. Ich bin stolz auf sie!

Und so bete ich: “Mein Vater im Himmel! Du hast mich durch sie reich gemacht, reich gemacht mit Liebe, Aufopferung, Treue, Fröhlichkeit und nie nachlassender Sorge um mich! Ja, ich habe so eine Frau von dir erbeten, und du hast mir diesen Wunsch erfüllt. Und wenn ich mich dafür mit Worten bedanke, dann kommt mir der Dank etwas schäbig vor. Es ist zu großartig für mich, Allmächtiger! Und immer wieder denke ich, dass ich es nicht wert bin, dieses Geschenk erhalten zu haben. Und doch macht gerade dies deine Größe aus, dass du so deine LIebe schenkst und dadurch das Herz berührst und Menschen, die du liebst, segnest.” 

Ich schrieb einmal: “Wir gehen beide Hand in Hand durch dieses bisschen Leben …” Und nun ich sehe das Pendel schwingen und höre die Uhr ticken, aber ich weiß nicht, wo die Zeiger stehen. Und der Abschied kommt näher. Sollte sie vor mir sterben, wäre es ein wirklicher Verlust. Denn ich kann ohne sie nicht leben, ich kann ohne sie nicht sein! Unerbittlich werden wir in kurzer Zeit getrennt. Diesen Gedanken kann ich nur mit der Hoffnung ertragen, die Gott uns gegeben hat!

Um uns ist es sehr still geworden. In unserer Abgeschiedenheit genügen wir uns selbst. Unter dem Druck der Zeit genieße ich jeden Tag mit ihr und versuche freudig zu sein. Wenn ich sie anblicke denke ich immer daran, dass es morgen schon anders sein kann. Aber ich will nicht zulassen, dass diese Sorge zu mächtig wird und unser Leben stört. Ganz bewusst und bestimmt will ich daran denken und glauben, dass die schönste Zeit noch vor uns liegt. Ja, ich will mich auf das Morgenrot mit ihr freuen! Und so sehe ich uns auf dem gemeinsamen Weg in den Morgen des Reiches Gottes.

Nachtgedanken

Ich habe nur eine undeutliche Vorstellung von Naturgewalten. Ich meine, mir fehlt die ganz persönliche Erfahrung mit den gewaltigen Kräften, die in der Schöpfung wirksam sind. Sie müssen mir fremd sein, denn ich bin ein zerbrechlicher Mensch, der diesen gewaltigen Kräften machtlos gegenübersteht. Nur vom Rand her dringt es auf mich ein, wenn ich schreckliche Bilder von Naturkatastrophen sehe. Aber diese Bilder sind weit weg und außerdem durch meinen Sinn gefiltert, so dass das Gezeigte mir nicht wirklich nahe kommen kann. Aber ich kenne ein bestimmtes Gefühl, wenn ich z. B. am Ozean stehe, mit seiner gewaltigen Größe und Tiefe und seiner fast unendlichen Vielfalt des Lebens: Da kommt  ein Schauer über mich und das Gefühl der eigenen Kleinheit und Bedeutungslosigkeit. 

Ich begreife es nicht. Und das ist ja nur ein kleiner Teil der Schöpfung! Das Universum will ich gar nicht erst bemühen: Es ist alles so unfassbar und nicht zu beschreiben. So ist Gottes Macht! Im Buch “Hiob” lese ich:

“Von den Säumen seiner Wege hören wir nur ein Geflüster. Aber wer kann sagen, dass er den Donner seiner Macht versteht?”

Und Gott selbst? Und was bin ich? Bin ich überhaupt wahrnehmbar? Wie ein winziges, tanzendes Sonnenstäubchen schwirre ich für einen Augenblick durch die unendliche Zeit, um sofort wieder zu verschwinden. Wer nimmt mich wahr?

Diesen gewaltigen Gegensatz kann mein Verstand nicht fassen! Ich kann mir einen gewaltigeren Unterschied nicht denken, als den zwischen mir und Gott.

Ein Stäubchen und der Allmächtige: Wozu? Und doch: Ich weiß, dass er existiert!

Ich kenne die einfachsten Dinge in Gottes Schöpfung nicht wirklich. Aber mein Bewusstsein weiß, dass Gott ist! Auch das ist unbegreiflich, und doch keine Einbildung. Ich spüre Gott mit allem, was ich bin! Aber begreifen kann ich das nicht! Nur mein Bewusstsein ist durch seinen Geist mit ihm verbunden. Das ist das eigentliche Wunder meines Lebens! Es scheint, dass ich dafür gelebt habe. Sollte ich dafür gelebt haben, um Gott zu erfahren, ich, das Sonnenstäubchen? Welchen Grund sollte es dafür geben? Warum nimmt mein Bewusstsein Gott wahr, so wie es viele andere Dinge wahrnimmt? Weil ER es so will?

Ganz bestimmt, weil ER es so will! Das bedeutet für mich, dass der allmächtige Gott  auf der Suche nach mir war. Ja, so muss es sein, wenn man Gott und dem Leben einen Sinn zuschreiben will. Der Allmächtige und Unfassbare ist also in mein Leben gekommen! Es kam so, wie ER es gesagt hat:

“Ich wohne in der Höhe, in unnahbarer Heiligkeit, doch ich bin auch den Zerschlagenen nah, deren Geist niedergedrückt ist, und belebe den Geist dieser Gedemütigten neu, richte das Herz der Zerschlagenen auf.” (Jes. 57:15)

Nun kann ich  nicht mehr von ihm los! 

ER ist für mich das Ein und das Alles geworden. Es ist mir unmöglich Gott zu vergessen. Man kann auch die Sonne nicht vergessen. Man kann ihn nur verlassen, aber das will ich nicht. Zu stark ist die Kraft, die mich hält: Die Liebe.

Was ist Gottes Liebe für mich? Sie bedeutet, im äußeren und inneren Kosmos nicht allein zu sein! Das ist Heimat, zu-Hause-sein; es ist Schutz und Trost und Hilfe. Es ist auch Geborgenheit und Verständnis! Sie ist alles! 

Dafür habe ich – ein Sonnenstäubchen – gelebt. Und so wie ich Gott gesehen habe, sehe ich auch das Leben in der ewigen Zeit. Die Knechtschaft der Zeit wird aufgehoben sein. Dafür habe ich gelebt! Dafür bin ich zutiefst dankbar!

Nachtgedanken

(Wie kommt es zu den Nachtgedanken? Bei einem alten Mann wird der Schlaf leicht und flüchtig wie ein ängstlicher Vogel. So wacht er oft nach ein paar Stunden Schlaf wieder auf und setzt die Gedanken fort, mit denen er sich schlafen gelegt hatte. Und manchmal setzt er sich an den Tisch und schreibt sie auf. Meist hilft ihm ein Glas Wein dabei wieder müde zu werden während er schreibt.  Und er hofft, dass irgendwo weit draußen in der Welt auch ein Mensch nicht schlafen kann und ähnliche Gedanken hat.)

“Es ist leider Krieg – und ich begehre nicht schuld daran zu sein!”

(Matthias Claudius)

24. Februar 2022

Seit heute Nacht ist Krieg in Europa. Befürchtet war er schon länger, und man beschwichtigte sich selbst mit dem Vertrauen auf Vernunft, Menschlichkeit und Anständigkeit. Man hielt die Kriegsvorbereitungen für ein diplomatisches Spiel, in dem sich alle Beteiligten doch am Schluss einigen könnten. So hoffte man. Aber dazu kam es  nicht. Jetzt wird geschossen und gebombt. Jetzt sterben auch hier Menschen, wie an vielen Orten dieser Welt.

Was aus den Versen von Matthias Claudius spricht, ist schon lange vorbei. Claudius war noch ein Mensch, der den Jammer des Krieges mitfühlte und sich selbst in gewisser Weise schuldig wähnte. Er kannte noch die Verantwortung des Menschen vor Gott, hatte aber auch das Gefühl einer Mitschuld, obwohl er den Krieg nicht wollte und ihn verabscheute. 

MIr geht es auch so, denn ich bin z. B. als Steuerzahler mit eingebunden in das schreckliche Geschehen. Auch mit meinem Geld wird Kriegsgerät gekauft und ein Krieg finanziert. Auch durch meine Teilnahme am weltweiten Warenaustausch bin ich Teil des globalen Geschehens. Aber ich kann nicht heraus. Ich kann mich ebenso wenig heraushalten, wie Matthias Claudius. 

Ich kann nur seufzen und sagen: “Es ist leider Krieg – und ich begehre nicht Schuld daran zu sein!” Und mit Blick auf jene, die tatsächlich Schuld daran sind, die diesen “Krieg als Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mittel” betrachten, kann ich nur wünschen, dass Gott dieses Verbrechen nie vergessen wird! 

Nun ist es ja Tatsache, dass die ganze Welt von Kriegen und Konflikten überzogen ist. Seit Jahrzehnten steigen die Rüstungsausgaben, werden die Waffen immer teuflischer und die Flüchtlingsströme gewaltiger. Es scheint alles auf ein gewaltiges Finale zuzusteuern, auf etwas, was Bibelleser erwarten. Ob dieser Krieg in der Ukraine nur einer von vielen sein wird oder der Zündfunke für einen wirklich großen Krieg, einen Weltkrieg, kann bis jetzt niemand sagen. 

Kann man positiv in die Zukunft dieser Welt blicken? Ich habe einmal geschrieben, dass böse Taten immer im gottentfremdeten Denken begründet sind. Und wenn ich mir die aktuellen Tendenzen auf moralischem Gebiet anschaue, dann kann nicht positiv über die Zukunft dieser Welt denken.  In allen Teilen der westlichen Welt leben junge Menschen, die Bürger von morgen, die tatsächlich das Mantra herbeten, dass Gesetze nur dazu da sind um gebrochen zu werden. Sie wollen sich von nichts und niemanden aufhalten oder bevormunden lassen. Sie kennen keine Anständigkeit, sind habgierig bis zum Exzess und haben alle moralischen Bedenken fortgeworfen. Sie leben ohne Mitgefühl und ohne Glauben an Gott. Und sie wollen Macht – und gewinnen Macht! Es ist die Macht des Kapitals, des Geldes, mit dem sie Regierungen in die Knie zwingen können und wollen. Sie wissen, dass Demokratien käuflich sind. Demokratische Wahlen gewinnt man mit Geld und Propaganda. Seit ein paar Jahren gibt es ein Wort dafür: Thielismus (geht auf Peter Thiel zurück). 

Die Bertelsmann-Stiftung hat kürzlich 137 Staaten untersucht und festgestellt, dass 67 von ihnen sich in Autokratien verwandelt haben. Demokratie scheint ein Auslaufmodell zu werden. Und sieht man sich diese Autokraten an, dann gewinnt man den Eindruck, dass sie alle aus einem Panoptikum des Schreckens stammen. Entsprechend hat sich dann  auch die Zahl der Kriege und Flüchtlinge vermehrt.

Und es gibt – so ist meine traurige Einsicht – kein Umdenken, an den Stellen, wo es nötig ist. Ich sehe alle Voraussetzungen  für einen Zusammenbruch dieses Weltsystems erfüllt. Und ich sehe mich als völlig hilflosen Menschen, der dieser Flut des Bösen nur seinen eigenen Glauben entgegensetzen kann. Mir bleibt nur das Vertrauen auf Gott und auf Jesus Christus. Im Fernsehen sah ich eine alte ukrainische Frau, die weinend herumlief und nicht wusste wohin: “Wo soll ich hin? Wohin soll ich gehen?” Ich wüsste es auch nicht, zumal ich jede Flucht heute als sinnlos ansehen müsste. Ich will nicht in einem Flüchtlingstreck verkommen, also lehne ich mich zurück und sage:  “Macht doch, was ihr wollt, ihr seid nicht aufzuhalten. Ich verachte euch und was ihr tut, und ich will nur meinen Glauben behalten. Den könnt ihr mir nicht nehmen.” 

So warte ich, was geschehen wird. Aber ich warte ohne Angst! Ich bin gelassen und will es bleiben, denn das Vertrauen zu Gott und meine Verbundenheit mit ihm lassen mich in Ruhe sein. Ich will es wie Habakuk halten, der auch einen grausamen Tag erwarten musste. Er floh zu Gott indem er sagte: “Dennoch will ich jubeln über Jehowah, den Gott meines Heils. Denn Jehowah, der Herr, ist meine Kraft.” Und als ich dies für mich entschieden habe, kommt mir der Gedanke, dass es sich wie eine Attitüde anhören könnte, wie etwas, was ich vor mir hertrage und im Ernstfall gar nicht sein könnte. Nein! Ich meine es ernst und ich bete darum, dass Gottes Kraft mir den Mut gibt, so zu leben. Ich will voller Zuversicht nach vorne blicken und wissen, dass Gottes Reich auf mich wartet. 

Und nun lege ich mich wieder ins Bett und werde in Frieden schlafen.

Das Gespräch der Seele mit Gott

“Ich wohne in der Höhe, in unnahbarer Heiligkeit, doch ich bin auch den Zerschlagenen nah, deren Geist niedergedrückt ist, und belebe den Geist dieser Gedemütigten neu, richte das Herz der Zerschlagenen auf.” (Jes. 57:15) 

Wenn ich hier zu schildern versuche, wie ich Glaube erlebe und wie es sich anfühlt, dann kann ich das Gebet, das Gespräch der Seele mit Gott, nicht aussparen

“Lehre uns beten”

Die ersten Jünger, die Jesus um sich versammelt hatte, waren Juden. Sie gehörten also zum Bundesvolk Gottes und verrichteten im Tempel zu Jerusalem auch ihre Gebete. Wenn man das weiß, dann fragt man sich, warum sie Jesus baten, sie beten zu lehren. Es muss ihnen an den Gebeten Jesu aufgefallen sein, dass sie so ganz anders waren, als das, was sie aus der allgemeinen religiösen Praxis kannten. Und Jesus nimmt auch auf das Bezug, was sie fast täglich erleben konnten: Die Pharisäer, die die prominenteste jüdische Sekte  bildeten, legten ganz großen Wert auf den schönen Schein. Darum beteten sie gerne in der Öffentlichkeit, an Straßenecken und auf Plätzen. Das sollte dazu dienen, allen zu zeigen, wie fromm sie waren, aber Jesus hat gerade das an ihnen kritisiert und seine Jünger davor gewarnt, sie nachzuahmen. 

Was haben die Pharisäer aus dem Gebet zu Gott gemacht? Es wird berichtet, dass sie auf die Idee kamen, für jeden Zweck und für jeden Anlass ein spezielles Gebet zu formulieren, das sie als verbindlich ansahen. Jede Abweichung vom vorgegebenen Text machte das Gebet unwirksam! Auf diese Weise wurde das Gebet zur religiösen Pflichtübung! Auch wenn Texte aus dem Pentateuch mit eingeflochten waren, war es nur eine Formsache, an der das Herz des Betenden selten Anteil hatte. Das Gebet verkam zur Rezitation. Und dabei hatte man doch die Psalmen, die als Vorbild hätten dienen können. Und wie anders waren die Psalmengebete, wo Menschen ihr Herz vor Gott öffneten und sagten, was sie bewegte, wo Raum war, in dem sich der Geist des Betenden vor Gott völlig öffnen konnte. Das haben die Pharisäer abgeschafft und durch Formeln ersetzt, die einfach so dahin gesprochen werden konnten. Ein Gespräch der Seele mit Gott war damit unterbunden. 

In der Praxis vieler Religionen ist das Gebet zur frömmelnden religiösen Pflichterfüllung geworden. Der Gläubige hat die Pflicht, zu bestimmten Zeiten zu beten. Auch hier sind die Gebete oft vorformuliert. Unzählige Wiederholungen des immer Gleichen (10 “Vater-unser”, 20 “Ave-Maria!”)  machen aus dem Gespräch mit Gott ein leeres Gerede, weil mit dieser Pflichtübung der private Charakter und die persönliche Beziehung zu Gott gar nicht entstehen kann. HIer kann man sein Herz nicht öffnen und sagen, was in einer bestimmten Situation angebracht wäre. Solchen Übungen fehlt also die Verbindung mit Gott, die ja durch ein persönliches Gebet hergestellt wird. 

Das Gebet ist eine Gnade, keine Pflicht!

Durch den Tod Jesu sind Christen völlig mit Gott versöhnt worden. Darum können sie freimütig und ohne falsche Scheu zu Gott reden. Dieses Glück der Vergebung macht den Betenden frei und es ist ihm ein Bedürfnis von Zeit zu Zeit mit seinem Vater im Himmel zu sprechen. Für ihn gilt: “Wer dich liebt, der bete, wann immer er dich antreffen kann.” (Ps. 32:6) Und er tut es dann auch, weil er weiß, dass Gott wirklich zuhört. Er hat folgende Zusicherung: “Ich will dich belehren, und ich zeige dir den richtigen Weg. Ich will dich beraten und ich behalte dich im Blick.” (Ps. 32:8) 

Wenn das Gebet eine Gnadengabe Gottes an den Menschen ist, dann nur unter der Voraussetzung, dass man Frieden mit Gott hat. Das wird uns schon in alten Texten der Bibel deutlich gemacht. Ich denke hier an Jesaja 55 und möchte auf einige Gedanken näher eingehen:

“Sucht Jehowah, solange er sich finden läßt! Ruft ihn an, solange er euch nahe ist!”  

Das ist eine Einladung Gottes an uns Menschen. Es ist mir wichtig, das zu betonen, denn Gott fordert das Gebet nicht wie eine zu erfüllende Pflicht, sondern lädt dazu ein. Aber er stellt auch eine Bedingung:

“Der Gottlose verlasse seinen Weg, der Schurke seine schlimmen Gedanken! Er kehre um zu Jehowah, damit er sich seiner erbarmt, zu unserem Gott, denn er ist im Verzeihen groß!”

Wie tritt man vor Gott?

Gott streckt also den Sündern seine Hand hin und ist zum Vergeben bereit, wenn sie bereuen, was sie falsch gemacht haben. So macht man Frieden mit Gott. Nach dieser Einladung an die Sünder macht Gott den Menschen deutlich, mit wem sie es eigentlich zu tun haben, wenn sie ihn anrufen:

“Meine Gedanken sind nicht wie eure Gedanken, und meine Wege sind nicht eure Wege!”, spricht Jehowah. “Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, so weit reichen meine Gedanken über alles hinaus, was ihr euch denkt, und meine Möglichkeiten über alles, was für euch machbar ist:”

Als der Prophet Jesaja in  einer Vision Gott auf seinem Thron gesehen hatte, war er so erschüttert, dass er sagte; “Weh mir! Ich bin verloren! Ich habe den König gesehen, Jehowah, den allmächtigen Gott. Und ich habe doch  besudelte Lippen und wohne unter einem Volk, das  durch seine Worte genauso besudelt ist!” (Jes. 6:5) Er kam sich also völlig unwürdig vor, den Allmächtigen sehen zu dürfen. Ihm war schlagartig deutlich geworden, mit wem er es zu tun hatte. Das ist ein heiliger Respekt, den wir bei verschiedenen Personen in der Bibel finden. Und mit diesem  Respekt sollte, so denke ich, ein Betender vor Gott erscheinen. Er sollte sich demütigen und in seinem Sinn die Stellung einnehmen, die für ihn angemessen ist. Denn das sagt die Schrift ganz deutlich: Gott schaut auf den Demütigen und verachtet den Stolzen. 

In diesem Zusammenhang muss ich auch daran denken, dass Gott ‘Gefallen an Wahrhaftigkeit im geheimen Ich’ hat. Ich kann also nur so vor ihn treten, wie ich als “nackter” Mensch bin: Im Gewissen kann ich nichts beschönigen, habe keine faulen Ausreden und kann dem Höchstem auch nicht ausweichen. Ich bin sowieso ein offenes Buch für ihn (Ps. 139) Also will ich ehrlich zu mir und zu ihm sein. Jede Heuchelei ist überflüssig und für das Verhältnis zu Gott nur störend.

Jesus hat diese Haltung betont, wenn er in einem Gleichnis einen stolzen Pharisäer und einen verachteten Steuereinnehmer beten lässt. Der Pharisäer lobt seine eigenen Vorzüge, gibt an und blickt verächtlich auf den Steuereinnehmer. Er fühlt sich anderen Menschen hoch überlegen und leitet aus seiner Einbildung ab, dass Gott sehr zufrieden mit ihm sein müsste. Aber Jesus gibt dem reumütigen Steuereinnehmer das gute Zeugnis, dass er vor Gott gerechter sei als der Pharisäer, denn die Worte “Oh Gott! Sei mir einem Sünder gnädig!” beweisen ja, dass er Gottes ausgestreckte Hand ergriffen hatte. 

Der Segen Gottes

Der Prophet Jesaja musste sich nicht mehr fürchten als er Gott gesehen hatte, denn Gott ließ seine Lippen rein werden und vergab großzügig (Jes. 6:6, 7). Christen haben durch Jesus Christus die Versöhnung mit Gott erfahren und können ohne Scheu und Furcht zu Gott beten und können darauf hoffen, dass sich an ihnen das erfüllt, was Jesaja im 55. Kapitel weiter ausführte:

“So ist es auch mit meinem Wort: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und führt aus, was ich ihm aufgetragen habe. ” (Jes. 55:11

Worauf darf ich vertrauen?

Es kommt für mich nur darauf an, dass ich zu Gott, meinem wirklichen Vater, ein tiefes, kindliches Vertrauen habe. In seiner Bergpredigt macht es Jesus deutlich, wenn er dazu auffordert, sich keine unnötigen Sorgen zu machen, weil der Vater im Himmel die Bedürfnisse seiner Kinder kennt und bereit ist, für sie zu sorgen. Dieses Vertrauen wurde mir während meines Lebens immer wieder durch Erfahrung gestärkt. Und denke ich zurück, dann habe ich keinen Grund an meines Vaters Zuverlässigkeit  und Liebe zu zweifeln! Nein, ich habe “geschmeckt”, wie gut und liebevoll er ist!

Ich darf mich voller Vertrauen in Gottes Hand geben. Ich muss nicht furchtsam sein, denn mein Vater “wird vollenden, was zu meinen Gunsten ist”. Meine Sorgen sollten sich auf meinen persönlichen Glauben richten, denn ich bin davon überzeugt, dass mein Vater es verdient, in Ehrfurcht und Demut von mir geliebt zu werden. 

So kann ich ihn auch niemals als meinen persönlichen “Dienstboten” sehen, der meine kleinlichen Wünsche erfüllt. Ich muss ihm nicht sagen, was er zu tun hat! Ich habe einfach kein Recht Forderungen zu stellen. Denn ich bin von seiner Liebe überzeugt worden und weiß, dass er immer das tun wird, was für mich gut ist! Sein Handeln mit mir wird immer von Liebe und Gerechtigkeit bestimmt sein. Ob ich das immer verstehe, ist gleichgültig. Aber dies ist sicher: Am Ende wird es immer gut für mich gewesen sein. Auch das entspricht bis heute meiner persönlichen Erfahrung.

Und ich habe auch gelernt, dass das Gebet kein Ersatz für das eigene Handeln ist. Was ich selbst tun kann, muss ich auch tun. Diese Arbeit wird mir mein Vater nicht abnehmen. Nur dort, wo meine Macht und meine Weisheit am Ende sind, da kann ich auf Gottes Hilfe hoffen. Im Laufe der letzten Jahre sind meine Bitten weniger geworden, denn ich habe bemerkt, wie Gott mir beigestanden hat. Ich habe viele Gründe zur Dankbarkeit, denn seine Barmherzigkeit und seine Geduld mit mir waren groß. Und ich habe gelernt geduldig zu sein. Manche Bitte ging lange nicht in Erfüllung, bis sie eines Tages doch erfüllt wurde. Und dann war ich überwältigt und dankte mit Tränen in den Augen. 

Eine Warnung des Jakobus

Es wird viel gebetet, aber man gewinnt den Eindruck, dass Gott die meisten Gebete nicht beachtet. Ein Grund mag sein, dass sie mit einem falschen Motiv gesprochen werden. Darauf macht der Jünger Jakobus aufmerksam, wenn er im 4. Kapitel auf die Ursache von Krieg und Streit hinweist: “Und selbst, wenn ihr betet, bekommt ihr nichts, weil ihr in böser Absicht bittet und nur eure Gier befriedigen wollt.”  (Jak. 4:3) Der ganze Gedankengang in den Versen 1 bis 10 ist ja an Christen gerichtet! Er ist an Christen gerichtet, die die Grundlage ihres Glaubens schon verlassen hatten und sich einbildeten, dass Gott noch mit ihnen zu tun haben wollte. Sie irrten sich! Und darum fanden ihre Gebete bei Gott kein Gehör. Wenn ich diese Warnung auf mich beziehen will, dann muss ich darauf achten, kein “Freund der Welt” zu sein, denn das trennt mich ganz deutlich von Gott. 

“Seid wachsam!”

Weil ich in einer gottlosen Welt lebe, muss ich um meinen eigenen Glauben kämpfen. Jesus hat mich und alle anderen Jünger, die als Einzelne glauben und dem bösen Einfluß dieser Welt widerstehen wollen, eine ernste Ermahnung und Zusicherung mit auf den Lebensweg gegeben: 

“Seid wachsam und hört nicht auf zu beten, damit ihr die Kraft habt, all dem, was geschehen wird, zu entkommen, und damit ihr zuversichtlich vor den Menschensohn treten könnt.” (Luk. 21:16)

Weil das Gebet eine Verbindung zu Gott herstellt und er auf seine irdischen Kinder achtet, kann man nur mit seiner Kraft, die alles übersteigt, was ein Mensch von sich aus kann, den Glaubenskampf gewinnen. Davon bin ich durch Erfahrung zutiefst überzeugt!  Und ich weiß ganz genau, dass das Gebet wie eine Nabelschnur ist, die mich mit Gott verbindet und mich mit dem Lebenssaft des Glaubens versorgt: mit dem heiligen Geist.

Angst erdrosselt die Freude

“Freut euch jeden Tag, dass ihr mit dem Herrn verbunden seid! Ich sage es noch einmal: Freut euch!” (Phil. 4:4)

Niemals hätte ich gedacht, dass Angst das vorherrschende Lebensgefühl dieses Zeitalters sein könnte. Wir leben in Europa doch in einem relativen Frieden, es herrscht ein nie gekannter Wohlstand und die Staaten haben für ihre Bürger fast alles geregelt und geordnet. Und alle Kriege und Krisen scheinen weit weg zu sein und erreichen uns nur durch die Nachrichten aus aller Welt.

Doch allmählich kommt alles näher und wird bedrohlich, ist nicht nur Schatten an der Wand, sondern morgen schon erlebbare Realität. Wir wissen mittlerweile, dass Globalisierung der Welt nicht nur wirtschaftliche Vorteile bringen kann, sondern auch die Risiken, Krisen, Kriege und Krankheiten anderer Weltteile, so dass ein Krieg in Europa greifbar nahe kommt. Und die Ängste wachsen!

Wie kann ein Schaf unter Wölfen leben?

Und inmitten dieser Welt gibt es die Menschen, die das Christentum ehrlich und wahrhaftig ausleben wollen. Jesus Christus hat sie mit Schafen verglichen, die unter Wölfen leben müssen. Kann das gut gehen? Laufen die Schafe nicht Gefahr, von den Wölfen gefressen zu werden? Jedenfalls ergeben sich auch hier viele Ursachen für Sorgen und große Ängste, die eine ständige Herausforderung an den Glaubenden darstellen. Und der Glaubende muss sich fragen, wie er dieser Zeit mit ihren Herausforderungen wirkungsvoll begegnen kann. Gewiss, die Frage war schon immer für Christen lebenswichtig, denn sie wollen ja entgegen aller Widerstände ihren Glauben an Gott bewahren; sie wollen sich im Vertrauen zu Gott nicht erschüttern und von der Welt vereinnahmen lassen. Denn das ist ja das “weiße Gewand”, von dem Jesus in der Offenbarung spricht, das Treue zu Gott symbolisiert und das es unter allen Umständen zu bewahren gilt, um das ewige Leben zu erhalten. Um dieses “weiße Gewand” rein zu bewahren braucht man die Hilfe des Himmels, die führende Hand Jesu und die Hilfe und den Schutz Gottes. Nur so kann ein Schaf unter Wölfen bestehen.

Glaubensfreude als Kraftquelle

Was Gott auch zulassen mag – ich will es tragen! Und wenn möglich, will ich es freudig und ohne Angst ertragen. Ich möchte aus der gleichen Kraftquelle trinken, aus der die frühen Christen getrunken haben, von denen es heißt, dass sie um Jesu willen in Unehre und Verfolgungen gerieten und das freudig auf sich genommen haben. Woher kam diese Kraft? Woher kam diese Freude? Diese Glaubensfreude kann nur aus der Gottverbundenheit gekommen sein! Diese feste Verbundenheit mit Gott flößt Vertrauen und Zuversicht ein. Nur wer in der Lage ist, Gott zu “sehen”, ist zu dieser Freude fähig. Die enge Gottverbundenheit gibt Hoffnung. Sie macht das Zukünftige für Christen sichtbar. Und mit dem Blick auf das Reich Gottes weiß man, dass sich alles, was sich Christen erhoffen, auch erfüllen wird. Wir haben ein gutes Vorbild in Jesus, von dem gesagt wurde, dass “er für die vor ihm liegende Freude” alles Schlimme erduldete:

“Und dabei wollen wir auf Jesus schauen. Er hat gezeigt, wie der Glaubenslauf beginnt und wie er zum Ziel führt. Weil er wusste, welche Freude auf ihn wartete, hat er das  Kreuz und die Schande dieses Todes auf sich genommen. Nun sitzt er auf dem Ehrenplatz an Gottes rechter Seite.” (Heb. 12:2)

Muss ich das auch lernen? Das ist keine Frage: Ich muss es lernen! Ich muss bereit sein, für den Glauben zu leiden – und sogar dafür zu sterben. (Mat. 10:28).

Bereit sein zum Glaubenskampf

Solange man diese Worte Jesu aus Matthäus 10 nur als lehrreichen Lesestoff sieht, sind sie nicht weiter schwer. Man ist ja geneigt, das alles weit von sich in die Zukunft zu schieben oder zu denken, dass es ja nicht auf jeden Christen zutreffen muss. Aber habe ich denn ein Recht darauf, mich aus diesem Kampf zwischen Gut und Böse herauszuhalten? Nein! Ein Nachfolger Jesu muss immer dazu bereit sein, für seinen Glauben zu kämpfen und zu leiden! In seinen Ermahnungen an seine Nachfolger (Offenbarung 2 und 3) fordert Jesus die Treue bis zum Tod! Erst wenn dieser Kampf gewonnen ist, kann man die “Krone des Lebens” empfangen. Wichtig ist dabei, dass man die nötige Kraft dafür erhält, damit die Glaubensfreude nicht verblasst.

Freude braucht Gründe

Es gibt viele Ursachen für das Verblassen der Freude. Über alle diese Ursachen muss man als gewissenhafter Mensch nachdenken. Man muss nachdenken, um zu reifen. Daneben ist man auch gezwungen, über Gründe zur Freude nachzudenken. Der Alltag bringt es mit sich, dass man vielleicht von Problemen gefangen genommen wird und sich die Gedanken nur um diese Probleme drehen und damit die Freude ersticken. Doch! Die Angst erdrosselt die Freude! Und darum ist sie ja auch eine wirkungsvolle Waffe des Teufels: Die von ihm erzeugte Angst treibt die Menschen in seine Arme und trennt sie von Gott. 

Die Freude wollen und sie sich bewusst machen

Aber die Freude und besonders die Glaubensfreude, will bewusst werden, sie will gewollt sein und braucht Gründe. Die Freude muss beschützt werden, damit sie nicht von bösen Gedanken und Einflüssen überwuchert wird. Ich muss darauf achten, dass nichts von all dem destruktiven Schmutz der Welt in mir Wurzeln schlägt. Ich muss meine Gedanken erstens durch Disziplin beherrschen lernen und zweites mich durch den Frieden Gottes beschützen lassen. Denn nur unter dem Frieden Gottes, der alles Denken weit übersteigt, werden meine Verstandeskräfte behütet (Phil. 4:6, 7). Und für den Kampf gegen die bösen Einflüsse, welche die Angst verstärken und die Freude erdrosseln, brauche ich einen klaren Sinn, der geübt ist in der Unterscheidung zwischen Gut und Böse. Ich brauche eine feste Haltung.

Vertraute Menschen

Ich möchte mich an Menschen aus der Bibel orientieren, weil ich bei ihnen denselben Kampf um den Glauben und die Freude und gegen die Angst gefunden habe. Im Psalm 77 z. B. fand ich die  Worte Asafs, die mich fühlen ließen, dass er denselben Kampf führte wie ich:

“In meiner Not suche ich den Herrn, nachts strecke ich die Hand nach ihm aus und lasse ihn nicht los. Ich weigere mich, getröstet zu werden. Denke ich an Gott, stöhne ich, sinne ich über ihn nach, verliere ich den Mut.”

Und er stellt Fragen:

“Wird der Herr für immer verwerfen? Wird er nicht wieder gnädig sein? Ist seine Gnade für immer zu Ende? Gilt sein Versprechen in Zukunft nicht mehr? Hat Gott vergessen, gnädig zu sein? Hat er im Zorn sein Erbarmen versperrt?”

Was war passiert? Das wird von Asaf nicht ausgeführt, aber seine Fragen lassen darauf schließen, dass er ein Tief im Glauben und Angst vor der Zukunft hatte, dass seine Freude verblasst oder gestorben war: 

“Da sagte ich: ‘Das ist mein Schmerz, dass der Höchste sich jetzt anders verhält’. 

Hat sich Gott wirklich anders verhalten? Nein, denn wer sagt, dass er über die “Taten Jehowahs”  und “sein wunderbares Tun von einst” nachdenken will, hat ein persönliches Problem, darum wollte er das Handeln Gottes verstehen und wissen, was es bewirkt. 

Und dann denkt er tatsächlich über Gottes Taten nach und aus den Erfahrungen der Vergangenheit zieht er den Schluss, dass Gott in seinem Tun heilig ist, dass er an Gott nicht zweifeln kann. So war er ein ganz normaler Mensch, der im Leben durch Höhen und Tiefen gehen muss und der jeden Tag neu um seinen Glauben, seine Treue  und seine Freude kämpfen musste. Und es hat bestimmt einen gewissen Nutzen, wenn man eine kleine Weile im ‘dunklen Tal’ gehen muss und gezwungen wird, sein Denken gezielt auf den Schöpfer und Vater im Himmel auszurichten, wenn man gezwungen wird, auch über sich selbst nachzudenken. Das hat der König David auch so erlebt, als er im Psalm 31 beschrieb, wie er durch Gottes Gnade beglückt worden ist:

“Ich juble vor Freude, dass deine Gnade mich beglückt. Du hast meine Elend gesehen, die Angst meiner Seele erfasst, mich nicht dem Feind ausgeliefert, sondern mir Raum zum Leben verschafft.”

Vor dem Jubel hat es so ausgesehen:

“Jehowah, sei mir gnädig denn ich bin in Angst. Vom Weinen ist mein Auge verquollen. Meine Seele ist matt und müde mein Leib. In Kummer schwindet mein Leben dahin, in Seufzen vergehen meine Jahre: Meine Kraft ist gebrochen durch meine Schuld, und meine Glieder versagen den Dienst.” 

Der Kampf gegen die Angst ist der Kampf für die Freude

Auch an David bemerke ich den persönlichen Kampf um die Freude – und gegen die Angst. Heute weiß ich, dass alles dies zum Glaubensleben dazugehört. In der BIbel habe ich nichts anderes gefunden. Immer war den Glaubenden der Kampf aufgegeben, um daran stark zu werden und zu reifen. Ich will also nicht erschüttert sein, wenn sich mein Glaube im täglichen Leben bewähren soll. Ich will wahrhaben, dass ich manchmal schwach werde, dass ich nicht immer der strahlende Sieger sein kann. Ich will akzeptieren, dass ich fallen kann. Aber ich will auch wissen, dass ich wieder aufstehen kann, wenn Jesus mir seine Hand reicht und unser Vater im Himmel mir gnädig ist. Ich weiß, dass ich im Glaubenskampf siegen werde, weil ich in guten, helfenden Händen bin! Und darüber will ich mich freuen!

Die Angst besiegen und die Freude erhalten

Wenn mich die Angst vor der ungewissen Zukunft  überfällt, dann will ich ganz bewusst über mein Leben nachdenken, um zu erkennen, wie ich an Gottes Hand gegangen bin. Ich will es mit dem Herzen wissen, wie gut und weise mich der Geist Gottes geführt hat, auch wenn es manchmal ein Umweg schien.  Aber in der Summe habe ich ein Leben führen dürfen, das dem Ziel meines Glaubens immer näher gekommen ist. Hätte ich das auch erreicht, wenn ich vor den Prüfungen meines Glaubens bewahrt worden wäre?  Daran zweifle ich. Ich war oft verzweifelt und ohne Ausweg; ich habe zeitweilig mit dem Leben gehadert und war nicht immer über alles erhaben und stark, sondern entmutigt, tieftraurig und einsam. Aber mein Vater im Himmel hat mir geholfen, Kraft geschenkt und mich durch Jesus Christus dem Ziel näher gebracht. 

Vertrauen wächst durch eigene Erfahrung mit Gott

Durch diese wertvollen Erfahrungen mit dem himmlischen Vater ist ein tiefes Vertrauen zu ihm gewachsen und ein starker Friede erfüllt mich. Und ich denke: Wenn Gott in der Vergangenheit so gut zu mir war, dann wird er es in der Zukunft auch sein. MIt dieser Zuversicht will ich fortan leben! Mit Gottes und Jesu Hilfe wird es mir möglich sein, zu verhindern, dass die Angst meine Freude in Jehowah erwürgt. Ich will “aus dem Bach seiner Freude trinken” (Ps. 36:9, 10):

“Wundervoll ist deine Güte, Gott! Im Schatten deiner Flügel suchen Menschenkinder Schutz. Sie genießen den Reichtum deines Hauses. Vom Bach deiner Freude lässt du sie trinken. Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht sehen wir das Licht.”

Das Unbegreifliche

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Der Prediger Salomo wollte das menschliche Leben verstehen und stand am Ende nur verwundert da. Und mir geht es ebenso: Das Leben, wie es zu oft geführt wird, verstehe ich nicht, denn ich verstehe die Menschen im Allgemeinen nicht und empfinde das Leben, das sie  oft führen, als Katastrophe. 

Ich versuche das Leben wie der Prediger zu betrachten. Aus den Früchten des allgemeinen Lebens kann ich Rückschlüsse ziehen. So jedenfalls hat es der Sohn Gottes formuliert: “Ihr werdet sie an ihren Früchten erkennen”, auch wenn sie als Wölfe im Schafspelz daherkommen. Aber auch dann ist es schwierig, denn es bleibt die Frage nach dem Warum. Warum leben viele so  gedankenlos und schlimm dahin, ohne zur Einsicht zu kommen? Was zwingt sie dazu? Ist es deshalb so, weil “Wahnsinn auf allen ihren Wegen ist”? So hat es der Prediger Salomo empfunden. Und ich bin geneigt, mich seiner Beobachtung anzuschließen.

Ich will versuchen in seinen Spuren zu gehen und beginne zu lesen.  Und mir fällt  auf, dass zuerst die Vergänglichkeit und die Tatsache beschrieben wird, dass es nichts Neues unter der Sonne gibt. Auf das Leben des Menschen angewandt kommt der Prediger zu dem Schluss: “Es ist alles nichtig und ein Haschen nach Wind”, denn das Leben endet unweigerlich mit dem Tod. Gleichgültig was man tut und wie man ist: Das Ende steht vor uns! Diese Tatsache hat Folgen, wie es der Prediger sieht:

“Das ist das Schlimme, bei allem, was unter der Sonne geschieht, dass alle dasselbe Geschick trifft. Von daher ist auch das Herz der Menschen voller Bosheit und Übermut ihr Leben lang, und danach geht es zu den Toten.” (Pre. 9:3)

“Weil das Urteil über die böse Tat nicht sofort vollstreckt wird, wächst in den Menschen die Lust, Böses zu tun.” (Pre. 8:11)

Die Folge dieses Wissens um die eigene Vergänglichkeit und der scheinbaren Straflosigkeit für böse Taten scheint einen kollektiven Wahnsinn auszulösen, denn man bildet sich ein, etwas zu versäumen und ist gierig auf Leben, Reichtum, Jugend und Erfolg und meint, sich um die Folgen seiner Taten keine Gedanken machen zu müssen. “Immer jung sein” und “immer oben” sein, nie Mangel spüren und stets “Freude” haben (heute sagt man “fun”). Die Lebensgier treibt dazu an,  alles zu tun, was möglich ist und sich nichts zu versagen – darauf wird das Leben häufig abgestellt und reduziert.  

Ich erinnere mich gut an einen Brief, den die Frau eines Schriftstellers in den 1920er Jahren geschrieben hat. Was ich daraus zitieren möchte, bringt eine Haltung zum Ausdruck, die man bei Menschen findet, die ohne Ziel, Halt und Verantwortung durch das Leben irren. Unfähig ihrem Leben einen Sinn zu geben, taumeln sie in geistiger und moralischer Auflösung dahin: 

“Alles, was ich will, ist, immer jung und ohne Verantwortung zu bleiben und zu spüren, dass ich mein eigenes Leben lebe – zu leben und glücklich zu sein und auf meine Weise zu sterben.” (Zelda Sayre Fitzgerald, 1900-1948) 

Das Leben das sie schließlich führte, war dementsprechend: Es endete tragisch in geistiger Umnachtung. Sie gehörte zu den Hochbegabten, war Künstlerin, schrieb, malte und tanzte, war klug und einfühlsam, lebenslustig – aber ohne Verantwortung, ohne besondere Moral, nur auf sich selbst bezogen. Und so war das Leben mit ihrem gleichfalls begabten Ehemann voller Skandale und Exzesse, eine menschliche Tragödie.

Der Prediger fand im Leben der meisten Menschen keine Weisheit, denn was sie taten, war oft gegen jede Vernunft. Er zählt viele falsche Verhaltensweisen auf, die es unmöglich machen, das Glück im Leben zu finden. Mit Habgier, Neid, Unterdrückung, Erpressung, Macht über andere, Respektlosigkeit und Übermut kann der Mensch kein Leben führen, das glücklich macht  und menschlich reich ist. Dazu kommt die Dummheit, die den Verstand und das Herz verfinstert und es nicht zuläßt, aus Erfahrung zu lernen. Was ist das schon: Ein Leben ohne Weitblick und ohne Gedanken an die Folgen einer bösen Tat? Und ganz bestimmt immer gegen die eigenen und wahren Bedürfnisse des Menschen? 

Der Prediger sah die Fragwürdigkeit des materiellen Reichtums, seine Verlockungen und dass er eine falsche Sicherheit bot. Er sah, wie das Streben nach Reichtum zum Lebenszweck wurde und die Habgier alles Menschliche verdarb. Was der allgemeine Mensch auch tut: Nichts hat Bestand, nichts bringt Erfüllung, nichts bringt dauerhaftes Glück. Getrieben von der Sucht nach Macht, Reichtum und Sex, zerfressen von Habgier und Leidenschaften, verhärtet durch Hass, wird ein Leben geführt, das nichts oder nur wenig von Weisheit und Gerechtigkeit erkennen läßt.

Nachdem der Prediger im allgemeinen Leben keine Spur von Weisheit gefunden hatte, versuchte er es mit der Freude. Aber auch sie wurde getrübt durch die Einsicht in die Vergänglichkeit des Lebens und die  Sinnlosigkeit. Das Ganze gipfelt in dem Satz: 

“Da hasste ich das Leben, denn alles, was unter der Sonne getan wird, war mir zuwider. Alles ist nichtig und ein Haschen nach Wind. … So kam ich dazu, an allem zu verzweifeln”. (Pre. 2:17)

Ist der Wahnsinn nur ein Problem der Vergänglichkeit?

Nein, nicht nur der Tod macht das menschliche Streben zur Farce! Es ist auch das Verhalten der meisten Menschen, das an Sinnlosigkeit und Dummheit leidet. Der Prediger hält allen den Spiegel vor – und man erkennt sich.  Und obwohl die Menschheit schon lange existiert, hat sich nichts wirklich geändert, was der Rede wert wäre. “Es gibt nichts Neues unter der Sonne!” – auch das eine bleibende Feststellung des Predigers.

Das Einzige, was er im Leben als lebenswert fand, hört sich für moderne Ohren sehr bescheiden an: Es ist die private Freude am Leben mit der geliebten Ehefrau, Essen und Trinken und die Genugtuung, die man nach einer ehrlichen Arbeit empfindet. Aber auch das ist nur schöner, vergänglicher Schein, wenn es nichts mit Gott zu tun hat! Denn nicht einmal aufrichtig und mit Freuden genießen ist dem Menschen möglich, wenn es an Gottes Wohlwollen fehlt.

Kann man oberflächlich und gedankenlos dahin leben?

Kann man durch die Jahrtausende gehen und alles sehen und mitmachen, kann man alles aufschreiben und erzählen, kann man also Geschichte betreiben und doch nur an der Oberfläche bleiben, weil man nicht eine einzige Lehre aus all dem zieht? Kann man immer nur die Oberfläche sehen und im Leben von einem Abenteuer zum nächsten jagen, ohne einmal nachdenklich zu werden und sich zu besinnen? Man kann es! 

Ist es möglich die Erfahrungen seines eigenen Lebens völlig zu vergessen und so zu tun, als wäre es endlos und jeder Fehler würde sich irgendwann von selbst korrigieren? Es ist möglich! 

Es ist erstaunlich, was der Mensch alles kann! Kann man so leben, als wäre man allein auf der Welt? Kann man es sich abgewöhnen, einmal mit wachem Herzen auf den Mitmenschen zu blicken und sich zu fragen, ob man eine Verantwortung für ihn trägt? Kann man diese Frage aussparen?  Man kann!

In der Theorie sind alle gut!

Der Mensch! — Was soll man dazu noch sagen? Betrachte ich das Leben der meisten, dann kann ich  mich nur wundern. Es wird alles Gute gehofft und erwartet, aber es trifft zu selten ein. Der Ungerechte erwartet Gerechtigkeit, der Lieblose hofft auf Liebe, der Geizige auf Freigebigkeit, der Undankbare auf Dankbarkeit, der Unruhestifter auf Frieden, der Dieb auf Ehrlichkeit, der Lügner auf Wahrheit – und der Mörder auf das “Himmelreich”. Denkt denn niemand daran, dass der Mensch nur das ernten kann, was er gesät hat?  

Die Theorie beherrschen die meisten Menschen gut, aber die Praxis nicht. Doch sie können sich über jeden heftig aufregen, der nicht anständig handelt. Dabei verurteilen sie sich aber selbst, denn sie beweisen damit, dass sie sehr wohl wissen, was richtig und was falsch ist.  So irren viele haltlos auf der Suche nach einem fragwürdigen Glück umher und verlieren sich dabei selbst. Und was hat der Prediger dazu herausgefunden? Ernüchterndes! Er sagt nämlich dies:

“Nur dies habe ich gefunden: Gott hat die Menschen aufrichtig und gerade gemacht, aber sie sind berechnend und falsch!” (Pre. 7:29)

Berechnend und falsch! 

Kann man mit solchen Leuten etwas Großartiges anfangen? Worauf kann man sich bei ihnen verlassen? Es ist schade, dass das Gebiet der Moral betroffen ist. MIr wäre es lieber, die Menschen hätten ihre Schwäche im Intellekt und nicht im “Herzen”. Man kann viel besser mit lieben, ehrlichen und einfachen Menschen leben, als mit hochintelligenten, aber falschen Leuten. Der “Defekt” am inneren Menschen macht ein friedliches und allen wohltuendes Zusammenleben unmöglich. “Berechnend und falsch” – welch ein erschütterndes Urteil über den allgemeinen Menschen!

Leben ohne Gott ist ein Leben ohne verbindliche Verantwortung

Der Prediger lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die fehlende Gottesfurcht oder den Unglauben. Denn was einen Mensche davon abhalten könnte, gegen das eigentliche Leben zu leben, ist die Verantwortung vor Gott und vor dem Leben. Aber um sie wahrzunehmen, ist eine friedliche Beziehung zu Gott nötig. Nun könnte man sagen, dass man vor sich selbst verantwortlich sei. Aber diese Verantwortung trägt nicht weit, denn sie ist der eigenen Beliebigkeit unterworfen und kann jederzeit aufgekündigt werden. Gelebte Verantwortung, die jeden Lebensbereich mit einbezieht, ist nur in der Gottverbundenheit zu finden. Das bringt der Prediger mit seiner Mahnung für junge Menschen zum Ausdruck, wenn er sagt: “Fürchte den wahren Gott und halte seine Gebote, denn das ist des Menschen ganze Pflicht!” (Pre. 12:13)

Der Mensch kann wunderbare Dinge schaffen: Seine Kultur erzählt davon. Vieles ist atemberaubend schön, wahr und spricht zu Herzen. Die Erfolge in Technik und Wissenschaft bezeugen seinen scharfen Verstand. Seine Schöpfungen beweisen seinen Wagemut und seine Freude, sich für eine Sache Sache aufzuopfern. Sie zeigen, dass man sehr wohl zu gemeinsamen Werken fähig ist, dass Frieden möglich ist. Und doch ist die Geschichte mit den vielen Kriegen, Eroberungen, Raubzügen und Völkermorden auch eine Tatsache. Und derselbe Mensch ist zum Hass und zur Liebe fähig! Es kann glühend in der Nächstenliebe sein und sich selbst aufopfern. Er kann herzzerreißend weinen, wenn ein anderer leidet, kann aber auch ungerührt zuschauen, wenn sein Mitmensch vor seinen Augen zu Tode getrampelt wird.

Der Mensch weiß im Grunde seines Herzens, was gut ist, aber er ist in der Masse bis heute nicht dazu in der Lage, es auch zu tun! Die Masse folgt dem Bösen. Warum kommt es nicht zur Einsicht in die Wahrheit des Lebens? Der Prediger gibt eine indirekte Antwort darauf, denn was er schildert und was ihm das Leben vergällt, ist die fehlende Beziehung zu Gott, was dann durch sinnlose Beschäftigungen und durch falsche Wertvorstellungen zu schlimmen Ergebnissen führt. Und es leuchtet mir ein, dass dies eine Art von Unvernunft ist, die es nur bei Menschen gibt. Jesus Christus hat diese Art von Unvernunft unter all das eingereiht, was den Menschen unrein, d. h. für das Leben mit Gott und seinen Mitmenschen untauglich macht:

“Denn von innen, aus dem Herzen des Menschen, kommen die bösen Gedanken und mit ihnen alle Arten von sexueller Unmoral, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier und Bosheit. Dazu Betrug, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Stolz und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen heraus und macht den Menschen unrein vor Gott.” (Mar. 7:21-23)

Wie kann man nur ohne Gott leben?

Mein Blick auf die Geschichte, die Literatur und die Kunst sagt mir immer wieder dies: Die Sinnlosigkeit des Lebens, das die meisten geführt haben und führen, hat immer dieselbe Krankheit zur Folge: Das Verlassensein, die absolute Einsamkeit, die Hoffnungslosigkeit und die Haltlosigkeit. 

Wie viele Menschen sind mir begegnet, an denen ich genau das beobachten konnte? Und immer wieder fiel mir auf, dass sie ihre Krankheit genau beschreiben konnten, aber schließlich daran zugrunde gingen, wenn sie den Kampf mit dem sinnlosen Leben nicht mehr führen wollten. Sie haben geahnt,  was ihnen fehlte, aber sie waren nicht in der Lage, den Verlust zu ertragen. Vielleicht waren sie auch auf der Suche nach dem Verlorenen, ohne den Weg zu wissen? Aber es waren nur wenige Menschen, die sich des Verlustes bewusst waren; die Masse torkelte weiter unbeschwert dahin, berauscht durch Betäubung, Ablenkung und Vergnügen, oder benebelt durch die  Verehrung religiöser und politischer Götzen und Ideologien. War das Schicksal? Musste es sein? Gab es keinen anderen Weg? 

Ich kann aus meiner Erfahrung nur diesen Schluss ziehen: “Gott ist ein großes, stilles Haus, das offen ist zu jeder Stunde.” So hat es Gottfried Keller gesehen und darauf hingewiesen, dass jeder selbst in dieses “Haus” hineingehen muss. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, Gott zu finden. Aber er wird ihn nicht in den Kirchen finden, in der Menge. Er kann ihn nur in der Stille seines Herzens finden und bestimmt dann, wenn er ihn im Gewissen begegnet. Aber warum ist das so schwer einzusehen?  Ist es vielleicht deshalb so, weil man sich einbildet, kein Geschöpf Gottes zu sein, sondern ein Kind des Zufalls? Aber warum leiden die Menschen in so großer Zahl an sich selbst? Warum empfinden viele die Sinnlosigkeit ihres Lebens so grausam, dass sie die Flucht in den Tod wählen? Warum fällt es vielen so schwer, die Einladung Gottes anzunehmen? 

“So spricht Jehowah: ‘Stellt euch an die Wege und schaut, fragt nach den ewigen Pfaden: ‘Wo ist hier der Weg zum Glück?’ Dann geht ihn und findet Erfüllung!’ Aber sie sagen: ‘Wir wollen nicht!’” (Jer. 6:16)

“Wir wollen nicht!”, das trifft im Allgemeinen zu. Ist mit dieser Feststellung das ganze Problem beschrieben? Warum wollen die Menschen nicht den von Gott gewiesenen Weg des Glücks gehen? Liegt es daran, dass sie Gott einfach vergessen haben, so wie Kinder ihre Eltern vergessen können? Oder ist es so, dass sie Gott gar nicht brauchen können, weil  er ihnen unbequem ist? Der Verdacht drängt sich auf, dass viele Menschen nicht zugeben wollen, dass ein Gott alles Werden veranlasst hat. Denn das einzugestehen, würde bedeuten, Gott als Ursache zu erkennen. Und wenn Gott die Ursache des Lebens ist, dann ist der Mensch verantwortlich! Will man das nicht einsehen?

Die Rache des nicht gelebten Lebens

Mit dem “wir wollen nicht” kommt kein Mensch weiter. Wenn es nicht so wäre, gäbe es keinen Grund zur Klage Dann wäre es “natürlich” und sollte dann  am Leben leiden. Es sind so viele Lebens- und  und Gesellschaftsentwürfe probiert worden, aber der wirkliche Erfolg blieb aus. Und in den vergangenen Jahrtausenden hat das nicht gelebte Leben eine schreckliche Rache an den Menschen genommen. Bemerkt man das nicht? Oder nimmt man es einfach als Schicksal hin, wie eine Naturgewalt, der man ausgeliefert ist? Der Prediger ist einfach nur erstaunt, wie dumm und einfallslos, wie abgestumpft und uneinsichtig gelebt wird. Auch davon spricht der Prediger, wenn er im Leben der Menschen die Wahrheit, die Gerechtigkeit, die Treue und den Sinn vermissen musste, weil die Beziehung zu Gott nicht stimmig war. Doch, darauf läuft es zuletzt hinaus: Der Mensch braucht Gott! 

Wähle das Leben!

Etwas Schlimmeres als die Trennung von Gott konnte dem Menschen nicht passieren. Aber das war vom Menschen so gewollt. Und da der Mensch von Gott den freien Willen erhalten hat, hat er auch die Wahl. Darum ist er ist von Gott aufgerufen, die richtige Wahl zu treffen. Im Buch der Sprüche kommt die personifizierte Weisheit zu Wort:

“Euch, ihr Leute, lade ich ein! An alle Menschen wende ich mich. Ihr Anfänger, lernt, was Klugheit ist! Ihr Tagträumer, werdet endlich wach! …

Die Wahrheitsliebe öffnet mir den Mund. Was ich sage, ist nichts als die Wahrheit, denn ich verabscheue Gesetzlosigkeit. Alle meine Worte sind recht, keins davon ist hinterlistig und falsch. Dem Einsichtigen sind sie alle recht und dem, der sie verstehen will, klar. Sucht meine Unterweisung und nicht Silberschmuck! Nehmt Erkenntnis lieber als reines Gold! …

Ich liebe die, die mich lieben; und die mich suchen, finden mich. …

Ich gehe den Weg der Gerechtigkeit und zwar mitten auf der Straße des Rechts. Denen, die mich lieben, gebe ich, was bleibt, und ihre Häuser fülle ich.” (Spr. 8:4-21)

Solange der Mensch schon auf der Erde lebt, ruft die Weisheit Gottes: Sie ruft im Gewissen, sie ruft aus der Schöpfung, sie ruft aus der Geschichte, sie ruft direkt aus der Bibel. Überall und immer hat diese leise Stimme gerufen. 

Wenn die Stimme nicht gehört wird

Die Strafe, die uns immer trifft, wenn wir nicht auf die leise Stimme Gottes hören, ist zuerst diese: Wir werden uns selbst überlassen, wir werden uns selbst ausgeliefert! Und das kann wirklich schrecklich sein. Das ist es, was der Prediger beobachtet hat und was ihn veranlasste zu sagen: “Es ist alles Nichtigkeit und ein Haschen nach Wind!” So muss das Leben wohl aussehen, wenn es ohne Gottesfurcht und ohne eine friedliche Beziehung zu Gott geführt wird. Auch das bringt die Weisheit zum Ausdruck, wenn sie sagt:

“Immer wieder rief ich euch an, doch ihr habt gar nicht zugehört, habt die ausgestreckte Hand missachtet, wolltet die Mahnung nicht hören und schlugt jeden Rat in den Wind.

Doch wenn das Unglück kommt, werde ich lachen. Dann spotte ich über euch, wenn das, was ihr fürchtet, wie ein Sturm über euch kommt, wenn ihr bedrängt seid von Angst und Schrecken. 

Dann schreit ihr nach mir, doch ich antworte nicht, dann sucht ihr nach mir, doch ihr findet mich nicht. Weil sie jede Einsicht hassten und es ablehnten, Jehowah zu fürchten, weil sie meinen Rat nicht wollten und meine Mahnung verschmähten, darum sollen sie essen, was sie sich eingebrockt haben, sollen satt werden am eigenen Rat. 

Denn die Sturheit bringt die Beschränkten um, die Dummen vernichtet ihre Sorglosigkeit. Doch wer auf mich hört, hat nichts zu befürchten, kann ohne Angst vor Unglück sein.” (Spr. 1:24-33)

Der Untergang hat begonnen. Ich sehe schon die Trümmer dieses Weltsystems. Und es herrscht Stille. Und plötzlich, ganz leise höre ich von weit her die Stimme eines Kindes. Es singt, und sein Lied verurteilt eine verluderte Welt! Es verkündet den Sieg der Liebe, der Gerechtigkeit und der Wahrheit. Seine Stimme schwebt über den Trümmern und erreicht die Herzen derjenigen, die der Weisheit und der Liebe Gottes ihr Herz geschenkt  haben. 

Licht und Irrlicht

Eine alte Geschichte?

Bis in das 19. Jahrhundert blühte auf Sylt die Strandräuberei. Unter den Bewohnern von Sylt kursierte das Sprichwort: “Frei ist der Strandgang, frei ist die Nacht!” Und jeder wusste, was damit gemeint war, denn in stürmischen Nächten, wenn die Aussicht bestand, ein havariertes Schiff zu plündern, war man am Strand und raubte, was an den Strand gespült wurde. Und gab es Schiffbrüchige, dann hatte die Rantumer keine Bedenken, sie zu erschlagen und zu verscharren. Um das “Geschäft” noch einträglicher zu gestalten, zündete man Leuchtfeuer an, um Schiffe auf den Strand zu locken.

Falsche Leuchtfeuer

Dieses wirksame Prinzip der Irreführung durch ein Leuchtfeuer findet bis heute immer noch lebhafte Anwendung. Nur geht es nicht um Piraterie, sondern um die Vernebelung des Geistes. Es brennen sehr viele falsche Leuchtfeuer die  als helles Licht erscheinen und alle Arten von Menschen  in die Irre locken. In allen Bereichen des Lebens findet man sie. Auch auf religiösem Gebiet locken sie viele Menschen in die Hände von Betrügern, die im Missbrauch des naiv-kindlichen Glaubenwollens eine Gelegenheit zum Geldverdienen und zur Machtausübung sehen.  

Ich muss nicht daran erinnern, dass viele Menschen die Orientierung verloren haben, die man früher noch zu einem guten Teil hatte, als das Gewissen und Gott noch eine gewisse Rolle spielten. Man vertraute noch einem inneren Maßstab und ließ sich von ihm leiten. In  unserer orientierungslosen Zeit suchen viele Menschen nach Sinn und Ziel im Leben. Die Esoterik und die vielen religiösen und pseudo-religiösen Bewegungen haben lebhaften Zulauf. Überall wird behauptet, dass man für die Probleme der Menschen eine gute Lösung habe. Man verspricht viel und die meisten scheinen das gerne glauben zu wollen. Sie lassen sich durch diese Irrlichter anlocken wie die Motten vom versengenden Licht

Was bringen die Versprechen der Gurus?

Die eigene Wahrnehmung macht uns schon misstrauisch, denn wir sehen das stille, würgende Unglück, das fast jeden heimsucht, der sich auf falsche Leuchtfeuer eingelassen hat. Das allgemeine Leben bietet einen unerschöpfliche Stoff für die Medien: Tausend Probleme, Skandale, Sorgen jeder Art und die steigende Flut der Kriminalität. Das hat sich niemand ausgedacht, das geschieht einfach jede Stunde, Tag für Tag. Ich sehe keinen tragfähigen Erfolg der vielen Heilsversprechen: Diese Welt fällt von Stufe zu Stufe immer tiefer in den Abgrund. Ich möchte es so beschreiben: Im stinkenden Kadaver dieses Weltsystems fühlen sich nur die Maden wohl!

Glaube bringt Licht

Ich bin in der guten Lage, glauben zu können, weil ich glauben darf. Glaube ist für mich keine meditative Technik, die mein “Chakra” repariert; es ist keine Psychotherapie, die mir in Alltagsproblemen hilft; es ist nicht das “Lichtlein, das von irgendwoher kommt”; es ist kein billiger Trost, der mich betrunken macht. Nein! Glaube ist die gesicherte Erfahrung Gottes als seiende, handelnde und gerechte Person, die sich in meinem Leben äußert. Glaube ist mein Leben, das ich “an der Hand Gottes” führe. 

“Ich bin das Licht der Welt”, sagte  Jesus von sich. “Wer mir folgt, wird nicht mehr in der Finsternis umherirren, sondern das Licht haben, das zum Leben führt.” (Joh. 8:12)

Meine Pilgerreise

Ich bin immer wieder dankbar dafür, dass ich nicht mir und meinem Denken und Fühlen ausgeliefert oder überlassen worden bin. Ich fühle und nehme es bewusst wahr, wie ich geleitet werde. Ich habe ein gutes Licht für meinen Weg und darf mich als Sohn oder Kind Gottes fühlen. Ich bin mir auch der Tatsache bewusst, dass ich Führung brauche, weil auch ich kämpfen muss, weil auch ich jeden Tag neu beginnen muss, den Weg ins Leben zu gehen. Aus diesem Kampf, mit allen Möglichkeiten des Siegens oder Scheiterns, gibt es für mich keine Entlassung. Und während ich diesen Weg gehe, lerne ich aus meinen Fehlern, erkenne mich an der Art, wie ich Probleme sehe und behandle. Ich kann das mit einem Bild ausdrücken: Im 84. Psalm wird es gebraucht:

“Wie glücklich sind die, deren Stärke du bist, die sich zur Pilgerfahrt rüsten. Wenn sie auch durchs Tränental ziehen, wird es zum Quellort durch sie, und der Herbstregen hüllt es in Segen. Mit jedem Schritt wächst ihre Kraft, bis sie vor Gott in Zion erscheinen.” 

Als Christ ist man auf der Reise zu Gott. Man geht auf dieser Reise durch viele Schwierigkeiten, aber der Weg wird immer leichter zu gehen, weil die Stärke Gottes uns begleitet, weil der Weg im Tränental sich zu einem Ort der Quellen wandelt, er also zu einer Oase wird und der fruchtbringende Herbstregen den Segen Gottes bringt. Mit jedem Schritt wächst unsere Kraft! Und das alles geschieht unter der Leuchtkraft, die Gott als Licht  uns schenkt. Gott beleuchtet unseren Weg und sorgt dafür, dass er zu einem guten Ziel führt.

Was Gott von uns will

Es ist in der Bibel enthalten: Gott will mit Geist und Wahrheit angebetet werden (Joh. 4:24). Weil er selbst Licht ist, sollen auch seine Kinder  Licht sein: “Ihr seid das Licht der Welt” und “lasst euer Licht vor den Menschen leuchten”. So hat es Jesus ausgedrückt. Und wer im Licht lebt und Licht spenden will, muss Gottes Gerechtigkeit auszuleben versuchen: 

Gott ist Licht, in ihm gibt es keine Spur von Finsternis. Wenn wir behaupten, mit Gott Gemeinschaft zu haben und trotzdem in der Finsternis leben, dann lügen wir: Unser Tun steht im Widerspruch zur Wahrheit. 

Wenn wie aber im Licht leben, so wie Gott im Licht ist, sind wir miteinander verbunden, und das Blut seines Sohnes Jesus macht uns von jeder Sünde frei. Wenn wir behaupten, ohne Schuld zu sein, betrügen wir uns selbst und verschließen uns der Wahrheit. Wenn wir unsere Sünden eingestehen, zeigt Gott, wie treu und gerecht er ist: Er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von jeder Ungerechtigkeit. Wenn wir behaupten, wir hätten nicht gesündigt, machen wir Gott zum Lügner. Dann lebt sein Wort nicht in uns.” (1. Joh. 1:5-10) 

Allein schon diese Hilfe Gottes, die uns zu besseren Menschen macht, ist ein wunderbares Licht auf unserem Lebensweg. Dieses Licht bewahrt uns davor, Böses zu tun, falsche Ziele zu verfolgen und am Ende das zu ernten, was wir an Bösem gesät haben. Und wieder betone ich: Die Gerechtigkeit Gottes beschützt uns! 

Und nun blicke ich auf die vielen Gurus, die den leichtgläubigen Menschen das Glück und die Freude versprechen und ihnen doch nur das Geld aus der Tasche stehlen. Ich blicke auf ihre Jünger und auf ihr Leben und sehe, dass sie nicht zu Gott gefunden haben, dass es ein Irrlicht war, das sie in die Finsternis lockte, und dann wundert es nicht, dass man im Leben Schiffbruch und Untergang erlebt! 

Das blendende Licht dieses Weltsystems

Neben den großen und kleinen Katastrophen die uns die Nachrichten ins Wohnzimmer liefern, gibt es das strahlende Licht des Optimismus, das alles positiv einfärbt und  verhindern will, dass man nachdenklich wird. Dieses Licht ist so grell, dass die Augen geblendet werden. Die moderne Welt des Kapitalismus strahlt von Glanz und Glitter. Es täuscht die Sinne und vernebelt den Verstand, denn es bedient scheinbar den Wunsch der Menschen nach Glück, Erfolg und Wohlstand. Überall werden die sichtbaren Zeichen des wirtschaftlichen Erfolgs aufgerichtet: Die Metropolen dieser Welt überbieten sich durch ihre Bauwerke darin, den wirtschaftlichen Erfolg sichtbar zu machen. Aber dieser falsche, trügerische Glanz überstrahlt doch nur das menschliche Elend, das uns auf Schritt und Tritt begegnet. Er ist reine Fassade, er ist Theaterdekoration für ein mieses Stück. Denn fragt irgendjemand nach der Lösung für ein drängendes und bedrohliches Problem, dann fällt die Antwort  eher vage, verlogen oder nichtssagend aus. Nur mit Mühe kann man die Perspektivlosigkeit und Ratlosigkeit überdecken. Es gibt viele Worte, Absichtserklärungen und Versprechen, aber keine ernstzunehmende Aktivität. Das nennt man operative Hektik. Man tut so, als ob. Was daneben noch auffällt ist dies: “Lasst uns essen und trinken und fröhlich sein, denn morgen ist die Party vielleicht schon vorbei!” 

“Dein Wort ist Wahrheit”

Ich bleibe beim Lesen in der Bibel oft an ganz einfachen Aussagen hängen. Eine davon ist ein Wort Jesu: 

“Ich bitte dich nicht darum, sie aus der Welt wegzunehmen, aber ich bitte dich, sie vor dem Bösen zu bewahren. Sie gehören nicht zur Welt, genauso wie ich nicht zu ihr gehöre. Mache sie durch die Wahrheit zu Menschen, die ganz für dich da sind! DEIN  WORT  IST  WAHRHEIT.” (Joh. 17:15-17)

Wie oft habe ich darüber schon nachgedacht? Wie oft habe ich diesen Ausspruch anhand meiner Erfahrung und all den Tatsachen geprüft, mit denen ich konfrontiert worden bin? Das geht nun schon ein Leben lang – und immer wieder treffe ich für mich die Feststellung: “Dein Wort ist Wahrheit!” Und dann kann ich Gott nur danken! Ja, ich fühle mich im Wort Gottes zu Hause; hier bin ich geborgen, hier finde ich Rat, Hilfe, Verständnis, Trost und Hoffnung. Ich kann mir zusammen mit dem heiligen Geist Gottes kein besseres Licht für meinen Lebensweg denken. 

Während ich mich durch Gottes Licht auf meinem Weg leiten lasse, sehe ich die düsteren Prophezeiungen der Offenbarung in Erfüllung gehen. Während die letzten Plagen über dieses Weltsystem ausgegossen werden, geschieht auch dies:

“Der fünfte Engel goss seine Schale über den Thron des wilden Tieres aus. Da wurde sein ganzes Reich in Finsternis gestürzt und die Menschen zerbissen sich  die Zungen vor Qual. Sie verfluchten Gott im Himmel wegen ihrer Schmerzen und ihrer Geschwüre. Doch ihre Taten bereuten sie nicht.” (Off. 16:10, 11)

Angesichts dieser angekündigten Dunkelheit sagte Jesus zu seinen Jüngern:

“Nutzt das Licht, so lange ihr es habt, damit euch die Dunkelheit nicht überfällt! Wer in der Dunkelheit unterwegs ist, weiß nicht, wohin er geht. Glaubt an das Licht solange ihr es noch habt, damit ihr Menschen des Lichts werdet!” (Joh. 12:35, 36)

Ein Bettler

Kürzlich erzählte mir ein Bekannter eine Geschichte, die mich noch lange beschäftigt hat. Es ist die Geschichte eines erfolgreichen Schriftstellers, der nach Jahren seines Schaffens nachdenklich wurde. Er überdachte noch einmal sein Leben und Schaffen und kam zu einer ernüchternden Feststellung: „Meine Texte haben die Menschen zwar unterhalten, aber ich habe nichts Wesentliches gesagt! Und dabei hätte ich doch etwas zu sagen gehabt, was  wichtig gewesen wäre. Warum habe ich das nicht gesagt? Warum fällt mir das erst jetzt ein?“

Dann setzte er sich hin und überlegte. Und was er dann aufschrieb, veröffentlichte er nicht. Er ging in den Wald und las seinen letzten Text den Bäumen vor. Die alten Bäume des Waldes umstanden ihn still. Nur der leise Wind strich durch die Äste. Kein Mensch hörte seine letzten Worte! Danach blieb der Schriftsteller verschwunden und war nicht mehr auffindbar.

Ich habe nicht erfahren, was er im Wald den Bäumen vorgelesen hat. Aber ich fragte mich, was ich an seiner Stelle gesagt haben könnte, nachdem ich mein “Lied” vor der Welt gesungen habe? Ich habe nachgedacht und es fielen mir gewichtige Worte ein, in denen es im Grunde genommen wieder um mich ging. Vielleicht empfand der Schriftsteller ähnlich und drängte danach, etwas über sich zu sagen, was er bisher sorgsam verschwiegen hatte, weil seine Karriere im Vordergrund stand und er die Bewunderung der Leser haben wollte. Vielleicht wollte er einmal – und wenn es das Ende seines Lebens war – seine eigene, nackte und schonungslose Wahrheit über sich selbst sagen? 

Und was könnte ich den Bäumen über mich selbst sagen? So als letztes Wort, das Bestand haben und mich in einem kurzen Satz beschreiben könnte, das meine Selbsteinsicht wiedergäbe? Nun bin ich ein Mensch, der es als großes Glück empfindet, dass er glauben darf. Und darum versuche ich, mich  immer unter dem wissenden Blick Gottes zu sehen (Ps. 139). Ich stelle mir also lebhaft vor, vor dem Richter aller Menschen zu stehen und unter seinem Blick alles Überflüssige, Falsche, Stolze, Selbstgerechte und Beschönigende zu verlieren, es abzustreifen und den Mut zur letzten Wahrheit meines Lebens zu haben. Und was eignet sich da besser, als das, was Jesus in einem Gleichnis einem bereuenden Sünder in den Mund legte? 

“Gott, sei mir gnädig. Ich bin ein Sünder.” (Luk. 18:13)

Mit diesem einen Satz hat – so sagt es Jesus – der Mann seine Meinung über sich vor Gott offenbart, mit der er sich tatsächlich Gott unterwarf und um Gnade bat! Wer um Gnade bittet, hat begriffen, dass er Barmherzigkeit bitter nötig hat! Wer um Gnade bittet, sieht sich im richtigen Licht vor Gott! Er bittet damit auch um Hilfe, um ein besserer Mensch zu werden, zu einem Menschen, der mit seinem Schöpfer in vollkommener Harmonie lebt.  Und das soll auch mein Wunsch sein.

Nun besteht bei solchen Geständnissen immer der Verdacht, dass der Sprecher eine Haltung kultiviert, die als gut anerkannt und gewürdigt wird. Aber damit will ich nichts zu tun haben. Mir geht es um die innere Wahrhaftigkeit, um mein privates Eingeständnis vor Gott. Ja, ich kann über meine Gedanken schreiben, ich kann sie beleuchten und ausbreiten, aber wenn ich sie hier nicht für mich behalte, sondern aufschreibe, dann doch in der Hoffnung, dass andere auch angeregt werden, über sich selbst nachzudenken. Im Buch der Sprüche fand ich diesen schönen Gedanken: “Im Spiegel des Wassers erkennst du dein Gesicht, im Spiegel deiner Gedanken aber dich selbst”. Und das ist es, was dann zu Einsichten führt, die uns unseren Platz in der Gegenwart Gottes zuweisen.

Nun habe ich mit dem Eingeständnis, ein Sünder zu sein, nichts Besonderes gesagt. Das sind schließlich alle Menschen. Aber nicht alle sehen es ein, weil ihnen Gott unbekannt ist und sie deshalb keine Verantwortung fühlen. Doch für mich ist diese Einsicht auch schmerzlich und ich bedaure, was ich falsch gemacht habe. Dabei denke ich auch an Jesu Glücklichpreisung aus der Bergpredigt: 

“Wie glücklich sind die, die begreifen, wie arm sie vor Gott sind, denn sie gehören dem Reich an, das der Himmel regiert.” (Mat. 5:3)

Wie viele Menschen werden das begriffen haben? Einen kenne ich: Hiob, der Mann aus dem Land Uz. Als er seine Belehrung von Gott erhalten hatte, sagte er nur noch: 

“Ich weiß, dass du alles vermagst, kein Plan ist unmöglich für dich. ‘Wer verhüllt da den Rat  mit Reden ohne Einsicht?’ Ja, ich habe geredet, was ich nicht verstand. Es war zu wunderbar für mich, ich begriff das alles nicht. Höre doch, ich will nun reden, will dich fragen, dass du mich belehrst. Bloß mit dem Ohr habe ich von dir gehört, aber jetzt hat mein Auge dich geschaut. Darum unterwerfe ich mich und bereue in Staub und Asche.” (Hiob 41:2-6)

Und so sieht ein Armer vor Gott aus! In diesem “darum unterwerfe ich mich und bereue in Staub und Asche” liegt alles, was man vor Gott außer “Danke” noch sagen kann. Ja, ich will ein Armer vor Gott sein! Dabei muss ich einsehen, dass es ein Weg dahin ist, der über Erfahrungen und Einsichten zum Ziel führt. Aber ich darf zuversichtlich sein, denn was Gott von mir erwartet, will ich gern erfüllen. 

Dazu gehört nach meiner Ansicht, dass man wie ein Kind wird, das von seinem Vater alles erwartet, was gerecht und wahr ist, ein Kind, das sich seiner Abhängigkeit bewusst ist und mit vollem Vertrauen zum Vater aufblickt, weil es sich in seiner Gegenwart gut aufgehoben fühlt. So ein Kind diente Jesus als Beispiel, als er sagte, dass man so werden müsse wie ein Kind: “Gottes Reich ist ja gerade für solche wie sie bestimmt. Ich versichere euch: Wer Gottes Reich nicht wie ein Kind annimmt, wird nie hineinkommen.” (Luk.18:16, 17) Und das hat Jesus gesagt, nachdem er wieder einmal einen Rangstreit unter seinen Aposteln miterleben musste. 

So ein Kind Gottes stellt sich selbst nicht in den Mittelpunkt. Es kennt seine Begrenztheit. Und es hat keinen Sinn für Konkurrenz und Wetteifern, kein Gefallen an Geltungsbedürfnis und Stolz. Darum vertraut ein Kind Gottes nicht auf die eigenen Fähigkeiten und ist nicht der Meinung, jedes Problem selbst lösen zu können. Es kann in Ruhe und Vertrauen auf Gott warten! Ja mehr noch! Es kann das ausleben, was es im Brief des Petrus liest:

“Demütigt euch unter Gottes mächtige Hand, dann wird er euch zur richtigen Zeit erhöhen. Und werft so alle eure Sorgen auf ihn, denn er sorgt sich um alles, was euch betrifft.” (1. Pe. 5:6, 7)

Diesen Text möchte ich gern verinnerlichen, will erreichen, dass er ein Teil von mir wird. Ich kenne ihn schon lange Zeit, aber erst jetzt, wo ich alt geworden bin, ist sein tiefer Sinn in mir aufgegangen. Es war so, wie beim roten Fingerhut: Der Same dieser Wildpflanze kann viele Jahre in der Erde liegen – und warten. Er wartet, bis Licht auf ihn fällt, dann keimt er und wächst. So habe ich den Eindruck, dass erst Gottes Geist das passende Licht auf den Text werfen musste, damit der Sinn in meinem Herzen aufgehen konnte. Und welch ein Reichtum ist da entstanden! Ich muss nicht mehr ‘ängstlich umherblicken’ und mich fürchten. Ich darf der Zusicherung Gottes vertrauen: 

“Schau nicht ängstlich nach Hilfe aus, denn ich, dein Gott, ich stehe dir bei! Hab keine Angst, denn ich bin dein Gott! Ich mache dich stark und helfe dir! Ich halte dich mit meiner rechten und gerechten Hand. … Denn ich bin Jehowah, dein Gott. Ich fasse dich bei der Hand und sage zu dir: ‘Fürchte dich nicht! Ich selbst, ich helfe dir!’” (Jes. 41:10, 13)

So schaue ich wie ein kleiner Junge mit warmen Herzen auf meinen Vater im Himmel. Denn ich weiß, dass er für mich sorgen wird. Ich muss keine Furcht haben! Statt dessen habe ich einen nie gekannten Frieden geschenkt bekommen, ein Friede, so mächtig wie ein breiter Strom und so tief wie das Meer. Es ist der Friede unter der mächtigen Hand Gottes!

Unter diesem Frieden wächst das unbedingte Vertrauen zum Vater im Himmel. Und dann weiß ich, dass viele Probleme meines Lebens nicht von mir gelöst werden können, denn ich bin nur ein armer Mensch, ein Sünder. Da kommt es für mich darauf an, auf Gott zu warten, auf seine Lösung zu warten. Der “Arme vor Gott” kennt aus Erfahrung seine Begrenztheit, seine Machtlosigkeit und seine Grenzen. Das ist letztlich Bescheidenheit, wie sie in Micha 6:8 gefordert wird: 

“Er hat dir gesagt, was gut ist. Und was fordert dein Gott von dir zurück, als Güte zu lieben, Recht zu üben und bescheiden  mir deinem Gott zu wandeln?” 

“Lass mich wie einen deiner Lohnarbeiter sein”

Wenn ich an Jesu großartiges Gleichnis vom verlorenen Sohn denke, dann wird mein Herz weit und warm. Denn auch ich fühle  mich wie der verlorene Sohn, der nach einer Irrfahrt durchs Leben endlich wieder zu Hause bei seinem Vater sein darf. Es ist doch eine Tatsache, dass meine Sünden meinem Vater nicht gefallen, dass sie ihm weh tun und er Besseres von mir erwarten darf. Das Beharren in der Sünde würde mich von ihm trennen, doch ich darf ihn mit “Vater” anreden! Ich darf darauf vertrauen, dass meine Sündenschuld getilgt ist, weil Jesus für mich gelitten hat! Darum darf ich “Vater” sagen. 

Das ist für mich eigentlich unfassbar! Es ist so unfassbar, wie Gottes Größe! Gott kann viele Namen haben, aber kein Name wird seiner Person gerecht. Die Namen sind schwache Versuche des Menschen, den Unbegreiflichen, Allmächtigen und Unsichtbaren greifbar zu machen. Unser Verstand braucht Namen, braucht Begriffe. Aber Gott ist darin nicht fassbar. Das hat auch schon Hiob gewusst, als er sagte, dass wir von den Säumen der Wege Gottes nur ein Geflüster hören und den Donner seiner Macht nicht verstehen (Hi. 26:5-14). 

Das kann dazu führen, dass man sich völlig unbedeutend und sehr klein vorkommt und Gott in weite Ferne rückt. So haben es auch Psalmenschreiber empfunden, wenn ich Äußerungen wie diese lese: “Du bist so weit weg!” (Ps. 71:12) “Denke ich an Gott, so stöhne ich.” (Ps. 76:4) “Ich bin doch nur ein Gast bei dir, ein Fremder wie alle meine Väter.” (Ps. 119:19; 39:13) “Schau weg von mir, damit ich aufatmen kann, bevor ich gehen muss und nicht mehr bin.” (Ps. 39:14)

Aber dann dies: “In nächtlichen Stunden auf meinem Bett, gehen meine Gedanken zu dir. Flüsternd sinne ich über dich nach, denn du bist mir Hilfe gewesen. Ich juble im Schutz deiner Flügel. Ich klammere mich an dich, und deine rechte Hand hält mich fest.” (Ps. 63:7-9) Darin leuchtet die Barmherzigkeit Gottes auf! Das gibt mir Mut! Das lässt mich hoffen und vertrauen! Das macht mich groß, auch als Bettler vor Gott. Gottes Barmherzigkeit gilt auch mir, einem Sünder. Und dadurch wertet Gott mich auf! Es ist dann so, wie es im 18. Psalm steht: “Du gabst mir den Schild deines Heils, und deine Hand hat mich gestützt. Deine Demut machte mich groß!” 

Wo wohnt Gott?

Ich habe Gottsucher gefragt, wie man zu Gott kommt. Seine Antwort:  “Er wohnt nicht in der Zeit. Er ist Herr der Zeit. Er war, er ist und er wird sein! Es gibt keinen Ort, an dem du dir Gott denken kannst, denn er wohnt außerhalb von Zeit und Raum. Und doch wohnt er bei dem, der niedrigen Geistes ist. Er wohnt bei denen, die wissen, wie arm sie vor ihm sind. Gott wohnt dort, wo deine Dankbarkeit ihren Widerhall findet. Je mehr Gründe du zum Danken hast, umso näher kommst du Gott!.”  Und ich glaube er hat Recht. 

So bin ich am Ende nur noch dankbar, dass ich als Bettler vor Gott stehen darf, dass ich die starke Hoffnung habe, durch Jesus Christus ganz und gar mit Gott versöhnt zu sein. Und dann habe ich keine anderen Wünsche. Das Wesentliche ist für mich da: Ich darf “Vater” sagen. Der verlorene Sohn ist zu Hause – als Bettler, als Armer vor Gott.